Donnerstag, 28.05.2009,
Verlegen weiterer Stolpersteine in der Stadt Pforzheim
“Stolpersteine hier wohnte 1933-1945”
Ein Kunstprojekt für Europa
von Gunter Demnig
In Koopereation mit der Privaten Pforzheimer Initiative Stolpersteine, der Stadt Pforzheim,
dem Stadtarchiv Pforzheim und dem Kommunalen Kino Pforzheim
Zum Kunstprojekt von Gnter Demnig:
Ein Projekt, das die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner,
der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus lebendig erhält.
Der Künstler Gunter Demnig, Köln, erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem
letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt.
Bis Ende 2008 hat er ca. 17.000 Steine in 402 Ortschaften verlegt, dazu Stolpersteine in den Niederlanden, Österreich, Ungarn, Tschechien und Polen.
“Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist”, sagt Gunter Demnig.
Mit den Steinen vor den Häusern hält er die Erinnerung an die Menschen lebendig, die
einst hier wohnten.
Die Pforzheimer Initiative Stolpersteine
Früher wohnten sie in ihren Häusern, vielleicht nebenan, die Opfer nationalsozialistischer
Verfolgung. Auch in unserer Stadt. Immer weniger Menschen erinnern sich noch daran.
Seit langem wissen wir, dass damals neben dem millionenfachen Mord an europäischen
Juden auch Sinti und Roma, geistig behinderte Menschen, psychisch Kranke, Homosexuelle,
Zeugen Jehovas, ausländische Zwangsarbeiter und politisch Verfolgte zu den Opfern zählten.
Die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft ging der Auseinandersetzung mit ihrer national-
sozialistischen Vergangenheit weithin aus dem Wege. Weder das Ausmaß der Vernichtung
noch die grausamen Begleitumstände wurden somit angemessen verarbeitet.
Als der Kölner Künstler Gunther Demnig im Jahre 1995 sein Projekt „Stolpersteine“
entwickelte, wollte er vor allem in der jüngeren Generation ein neues Bewusstsein schaffen
für einen versöhnlicheren Umgang mit der Last der Vergangenheit. Künstlerisch gestaltete
Pflastersteine werden in Gehwegen verlegt in unmittelbarer Nähe zu den damaligen Wohnungen
oder Arbeitsstätten der Opfer. Jeder „Stolperstein“ trägt eine Messingtafel, auf der Name,
Lebensdaten und Schicksal vermerkt sind.
Diese knappen Hinweise entreißen die Toten einer rein statistischen Betrachtung und geben
ihnen menschliche Würde zurück. Nicht als Grab- oder Gedenksteine sind sie gedacht.
Sie wollen nicht die einstigen Täter anprangern oder gar eine ganze Generation von Mittätern
belasten. Als „Stolpersteine“ im übertragenen Sinn fordern sie unsre Aufmerksamkeit im
Vorübergehen. Sie wollen Fragen und Diskussionen auslösen.
In etwa 200 Städten Deutschlands sind inzwischen “Stolperstein” verlegt. Vielfach haben Schulklassen Projekte gestaltet und dabei lokale Vorgänge aufgedeckt. Auffallend war die Betroffenheit, mit der
junge Menschen 60 Jahre danach das Schicksal der Opfer nachempfinden und darüber nachdenken,
wie das alles überhaupt möglich wurde.
Oft wird berichtet, dass ein neues Bewusstsein für demokratische Wachsamkeit und Zivilcourage gewachsen ist.
Die Pforzheimer Initiative fand Anfang 2007 offizielle Unterstützung durch den Gemeinderat
der Stadt, nachdem jahrelange Nachforschungen einiger Bürgerinnen und Bürger mit
Unterstützung des Stadtarchivs, das auch selbst seit vielen Jahren über Verfolgung und
Widerstand forscht, zu verwertbaren Informationen geführt hatten.
Es ehrt unsere Stadt, dass sie sich des humanistischen Erbes ihres großen Sohnes Johannes Reuchlin erinnert. In einer ersten Serie von 13 „Stolpersteinen“ wird das bundesweit gestreute Kulturprojekt
nun auch für die Pforzheimer Öffentlichkeit unmittelbar erfahrbar.
Getragen wird die Pforzheimer Aktion von der „Löblichen Singergesellschaft von 1501
Pforzheim“, weiterhin begleitet und unterstützt von dem kleinen Kreis der Pforzheimer
Initiatoren Dr. Heinz Reichert, Dekan i.R. Martin Schäfer und Hans Mann.
Die Aktion wird ausschließlich durch Spenden und Patenschaften von Einzelpersonen
oder Institutionen getragen.
Im Interesse einer nachhaltigen Wirkung für die Menschen in unserer Stadt und ihrer
Umgebung wirbt die Initiative gemeinsam mit der Löblichen Singergesellschaft von 1501
Pforzheim auch weiterhin für finanzielle und ideelle Unterstützung.
Eine alte jüdische Weisheit sagt:
„Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung.“
Die Initiative Stolpersteine in Pforzheim wird ausschließlich durch Spenden in jeder
Größenordnung finanziert.
Für das Verlegen eines Stolpersteins benötigen wir pro Stein € 150,- für die direkten
Herstell- und Verlegekosten in Höhe von € 95,- sowie die Neben- und Folgekosten
der Aktion.
Deshalb bitten wir an dieser Stelle Institutionen, Firmen und Privatpersonen um die
Übernahme einer direkten Patenschaft für einen Stolperstein in Höhe von € 150,-
Spenden oder Patenschaftsüberweisungen erbitten wir auf das Konto der
Löblichen Singergesellschaft von 1501 Pforzheim
mit dem Verwendungs-Vermerk: Initiative Stolpersteine.
Sparkasse Pforzheim Nr. 1 810 5 10 (BLZ 666 500 85)
Die ersten 13 Stolpersteine wurden am 13. März 2008 verlegt
Stolperstein 1 Platz der Synagoge
Albert Eckstein,
geb. am 4. April 1891, Jude,
wohnte zuletzt im Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde Pforzheim,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs und am 10. August 1942 nach Auschwitz deportiert,
für tot erklärt.
Stolperstein 2 Platz der Synagoge
Felicitas Eckstein, geb. Freudenberg,
geb. 26. November 1891, Jüdin,
wohnte zuletzt im Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde Pforzheim,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs und am 10. August 1942 nach Auschwitz deportiert,
für tot erklärt.
Stolperstein 3 Platz der Synagoge
Lore Eckstein,
geb. 18. August 1921, Jüdin,
wohnte zuletzt im Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde Pforzheim,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert,
verschollen.
Stolperstein 4 Platz der Synagoge
Martin Eckstein,
geb. 15. August 1929, Jude,
wohnte zuletzt im Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde Pforzheim,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert.
Danach kam er in ein Kinderlager in Frankreich, aus dem er gerettet wurde;
lebte danach in New York/USA.
Stolperstein 5 Zerrennerstraße 29, vor VHS
Max Weißhaar,
geb. am 12. April 1895, Jude, Vertreter,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Zerrennerstraße 33,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, am 21. Juni 1943 nach Drancy,
in Auschwitz gestorben.
Stolperstein 6 Baumstraße 4
Adolf Rothschild,
geb. am 19. Juni 1869, Jude, Uhrenfabrikant,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Baumstraße 10,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert,
verschollen.
Stolperstein 7 Schloßberg 11
Max Rödelsheimer,
geb. am 1. November 1884 in Baisingen, Jude, Fotograf,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Schloßberg 11,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs und am 6. August 1942 nach Auschwitz deportiert,
für tot erklärt.
Stolperstein 8 Leopoldstraße 11
Luise Neuburger, geborene Strauß,
geb. am 25. November 1864, Jüdin,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Leopoldstraße 1,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert,
dort am 21. Januar 1942 gestorben.
Stolperstein 9 Westliche Karl-Friedrich-Straße 53
Auguste Goldbaum,
geb. am 1. Juli 1854 in Pforzheim, Jüdin,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Westliche Karl-Friedrich-Straße 53,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert,
dort 1941 gestorben.
Stolperstein 10 Ebersteinstraße 18
Fred Josef,
Sohn eines Juden und einer Christin, geb. 18. Oktober 1911,
Apotheker in Pforzheim, Regimegegner, St. Georgs-Pfadfinder,
deportiert nach Auschwitz,
dort am 21. Oktober 1943 gestorben.
Stolperstein 11 Bleichstraße 84-86
Klara Müßle,
geborene Vogt, geb. am 12. April 1902 in Pforzheim, Zeugin Jehovas,
arbeitete zuletzt in einem Unternehmen im Haus Bleichstraße 84-86,
gestorben am 24. September 1942 in Auschwitz.
Stolperstein 12 Jahnstraße 10
Alexandra Ripalo,
geb. 13. Mai 1918, Zwangsarbeiterin aus der Ukraine,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Jahnstraße 10,
gestorben am 20. Februar 1945 in Pforzheim an Tuberkulose.
Stolperstein 13 Zehnthofstraße 6
Eugen Weidle,
wohnte zuletzt Pforzheim, Große Gerbergasse 5, Regimegegner,
1936 auf der Flucht von Angehörigen der SA erschossen.
Diese Stolpersteine wurden am Donnerstag 28.05.2009 in Pforzheim verlegt
Stolperstein 14 Östliche Karl-Friedrich-Straße 51
Rosa Fleischer
geb. 4. Juni 1881, Jüdin,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Östliche Karl-Friedrich-Straße 51,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, am 14. August 1942 nach Auschwitz deportiert,
verschollen.
Stolperstein 15 Östliche Karl-Friedrich-Straße 103
Isidor Lazarus Jeremias
geb. 26. Januar 1879, Jude, Stahlgraveur,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Östliche Karl-Friedrich-Straße 103,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert,
dort am 31. August 1941 gestorben.
Stolperstein 16 Erbprinzenstraße 104
Hirsch Goldberg
geb. 11. April 1889 Ichenhausen, Jude, Rabbiner,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Erbprinzenstraße 104,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, am 16. August 1942 nach Auschwitz deportiert,
für tot erklärt.
Stolperstein 17 Erbprinzenstraße 30
Bertha Fetterer
geb. 6. März 1880, Jüdin, wohnte zuletzt in Pforzheim, Erbprinzenstraße 30,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, im August 1942 nach Auschwitz deportiert,
verschollen.
Stolperstein 18 Erbprinzenstraße 20
Setty Michelson geborene Kleemann,
geb. 7. August 1880, Jüdin,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Erbprinzenstraße 20, Ehefrau von Otto Michelson,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, am 17. August 1942 nach Auschwitz deportiert,
dort gestorben.
Stolperstein 19 Erbprinzenstraße 20
Otto Michelson
geb. 8. November 1879, Jude,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Erbprinzenstraße 20, Ehemann von Setty Michelson,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, dann nach Les Milles deportiert,
dort am 7. Dezember 1941 gestorben.
Stolperstein 20 Scharnhorststraße 11
Hertha Gottschalk geborene Wolff,
geb. 3. August 1900,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Scharnhorststraße 11, Ehefrau von Fritz Gottschalk,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, 1942 nach Auschwitz deportiert,
dort 1942 ermordet.
Stolperstein 21 Scharnhorststraße 11
Fritz Gottschalk
geb. 6. Mai 1895 Berlin, Jude, Diplomingenieur,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Scharnhorststraße 11, Ehemann von Hertha Gottschalk,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, am 16. September 1942 nach Auschwitz deportiert,
dort 1943 ermordet.
Stolperstein 22 Bertholdstraße 4
Amalie Nachmann, geborene Kahn,
geb. 17. Juli 1892, Jüdin,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Bertholdstraße 4, Ehefrau von Ludwig Nachmann,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, dann ins Konzentrationslager Noé und
1942 nach Auschwitz deportiert,
für tot erklärt.
Stolperstein 23 Bertholdstraße 4
Ludwig Nachmann
(1887-1942), Jude, Fabrikant,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Bertholdstraße 4, Ehemann von Amalie Nachmann,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, dann ins Konzentrationslager Noé deportiert,
dort am 2. März 1942 gestorben.
Stolperstein 24 Bertholdstraße 4
hier lebte Hedwig David
geb. 29. Juli 1893 in Eberbach, Jüdin, Hauptlehrerin, wohnte zuletzt in Pforzheim,
Bertholdstraße 4, am 22. Oktober 1940 nach Gurs, im August 1942 nach Auschwitz
deportiert, für tot erklärt.
Stolperstein 25 Zähringr Allee 41
Johanna Roth
geb. 28. Mai 1883, Jüdin,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Zähringer Allee 41,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, am 10. August 1942 nach Auschwitz deportiert,
für tot erklärt.
Stolperstein 26 Kronprinzenstraße 30
Eva Katzenstein geborene Weinberg,
geb. 2. Dezember 1884 in Werther, Jüdin,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Kronprinzenstraße 30, Mutter von Marianne Katzenstein,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, am 2. September 1942 nach Auschwitz deportiert,
´verschollen.
Stolperstein 27 Kronprinzenstraße 30
Marianne Katzenstein
geb. 30. Juni 1912 in Schwetzingen, Jüdin, Angestellte,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Kronprinzenstraße 30, Tochter von Eva Katzenstein,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, am 2. September 1942 nach Auschwitz deportiert,
verschollen.
Stolperstein 28 Luisenstraße 62
Leopold Geller
geb. am 4. April 1884 in Maidan (Polen), Jude, Tabakwarenhändler,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Luisenstraße 62,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, am 12. August 1942 nach Auschwitz deportiert,
für tot erklärt.
Stolperstein 29 Osterfeldstraße 33
Arnold Ginsberger
geb. 22. Dezember 1870 Frankfurt am Main, Jude, Fabrikant,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Osterfeldstraße 33,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert,
dort 1942 gestorben.
Stolperstein 30 Osterfeldschule
hier lehrte Hedwig David
geb. 29. Juli 1893 in Eberbach, Jüdin, Hauptlehrerin,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Bertholdstraße 4,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, im August 1942 nach Auschwitz deportiert,
für tot erklärt.
Stolperstein 31 Jahnstraße 33
Louis Daube
geb. 27. April 1873, Jude,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Jahnstraße 33,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert,
dort gestorben.
Stolperstein 32 Obere Rodstraße 8
Klara Frank
geb. 18. Dezember 1885, Jüdin,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Obere Rodstraße 8, Ehefrau von Isaak Frank,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, am 10. August 1942 nach Auschwitz deportiert,
verschollen.
Stolperstein 33 Pflügerstraße 36
Rudolf Seefeld
geb. 19. Oktober 1907, Jude, Tuchhändler,
wohnte zuletzt in Pforzheim, Pflügerstraße 36,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs, dann am 26. August 1942 nach Auschwitz deportiert,
für tot erklärt.
Karte: Amtlicher Stadtplan der Stadt Pforzheim, Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Stadt Pforzheim
Die Biografien und/oder Lebensdaten der Pforzheimer Opfer des Nationalsozialismus wurden für die Initiative Stolpersteine durch das Stadtarchiv Pforzheim recherchiert.
Bilder vom 28.05.2009
Fotos: Hans Mann, Manfred Klinner