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3. Matinee zur Stadtgeschichte
Stadtteilrundgang im Arlinger
Reportage mit Hintergründen zu Kultur und Geschichte des Pforzheimer Stadtteils
Sonntag, 2. Mai 2004
mit
Claudia Baumbusch, Kunsthistorikerin
Reinhold Krause, freiberuflicher Künstler und Designer in Pforzheim
Wolfgang Albert & Helmut Albert, Steinmetz in Pforzheim
Carsten von Zepelin, Vorsitzender des Vorstandes der Baugenossenschaft Arlinger e.G.
St. Theresienkapelle in Pforzheims Stadtteil Arlinger
Wenn die Kapelle reden könnte, würde sie ein Stück „kleine Kirchengeschichte“ erzählen.
60 Jahre ist das Theresienhaus – die Kapelle alt, erbaut 1930/31. Wir müssen heute noch unserer Mutterpfarrei St. Antonius und Herrn Stadtpfarrer Faller danken. Sie stellten eigene Wünsche
und Bedürfnisse zurück; bis zur Einweihung der neuen Antoniuskirche 1936 mußten sie sich mit
der Notkirche begnügen. Sie wollten vorher den Katholiken von Arlinger und Brühl den Bau der Theresienkapelle ermöglichen.
Anfang der zwanziger Jahre entstanden die Siedlungen Arlinger und Brühl. Damals wohnten noch
wenig Katholiken hier. Mit dem weiteren Anwachsen der Bewohner erhöhte sich der Anteil der Katholiken auf etwa 18 %. Diese benötigten wenigstens einen Gebetsraum.
Als Pfarrer Faller 1925 hierher kam, waren vom Kirchenbauverein nur RM 400.- vorhanden;
denn durch die Inflation war das früher vorhandene Geld zugrunde gegangen. Jetzt wurde wieder
mit der Sammeltätigkeit begonnen, aber vorerst schien es aussichtslos, im Arlinger in absehbarer
Zeit eine Kapelle und Kinderschule erbauen zu können. Aber mit Hilfe von Bonifatiusverein und Kirchenbauverein der Pfarrgemeinde konnte wenigstens in geeigneter Lage ein Grundstück von
30 Ar von Gärtnermeister Kamm erworben werden. Eine Übernahme der Kosten für den Bau von Schwesternhaus mit Kinderschule und Kapelle von einem Mutterhaus zu erhalten, war nicht zu
erreichen. 1930 vermittelte der Caritasverband ein günstiges Darlehen von 11 300.- Mark und
das Veronikawerk in Bühl von 25 000.- Mark. Der Bonifatiusverein sicherte zudem eine jährliche Zinsenbeihilfe von 1 200.-Mark zu. Unter diesen Umständen konnte es gewagt werden, den Bau zu beginnen. Das noch fehlende Geld mußte durch Sammlungen in der Gemeinde und durch den Kirchenbauverein aufgebracht werden. Die Gesamtkosten mit Inneneinrichtung betrugen
50 500.- Mark. Um die Zinsen zu bezahlen und die Schuld zu tilgen, fand jedes Jahr bis zum
Krieg ein Basar im Elisabethenhaus und im Thersienhaus statt. In den Kriegsjahren tilgte die Gesamtkirchengemeinde die Restschuld von 5 000.- Mark. Wir dürfen sagen, die hl. Theresia
vom Kinde Jesu, welche die Patronin der Kapelle ist, hat uns geholfen.
Die St. Theresienkapelle 1931 bei der Einweihung
Ein Zeitungsbericht vom 18. April 1931 kündigt die morgige Einweihung an: In aller Stille wurde
draußen in der Arlinger Siedlung ein Werk vollendet, auf das die Katholiken im Westen in besonderer Weise stolz sein dürfen. Inmitten der schmucken Häuschen des Arlingers erhebt sich auf freiem
Platz und weithin sichtbar die neuerbaute Kinderschule mit Kapelle – das Theresienhaus – ein
Wahrzeichen der Siedlung unserer Weststadt. Morgen wird zum ersten Mal die Glocke die Gläubigen
der Siedlung zusammenrufen zur Weihe des neuen Theresienhauses. Alt und jung werden nun in Zukunft von dem Glöcklein gerufen werden, um in dem schlichten einfachen Raum der Kapelle
Zwiesprache mit ihrem Schöpfer zu halten, Gottes Wort zu hören und sich daran zu erbauen.
Und welch prächtiger Hort wird die Kinderschule für die Kleinen werden!“
Auszüge aus dem Einweihungsbericht vom 20. April 1931:
„Die kirchliche Weihe des Theresienhauses in der Siedlung Arlinger fand am gestrigen Sonntag
Morgen bei prächtigem Wetter statt. Die Weihehandlung wurde von Herrn Dekan Gehrig von
Neuhausen unter Beistand des Herrn Pfarrkuraten Faller von der St. Antoniuskirche in Brötzingen
und des Herrn Pfarrkuraten Seyfried von der Herz-Jesu-Kirche in Pforzheim vorgenommen.
Die Kapelle als auch der mit ihr verbundene Saal der Kinderschule war bis auf den letzten Platz
von einer andächtigen Gemeinde angefüllt. Der eigentlichen Weihe ging ein von einem Knaben
am Eingang der Kapelle mit sehr gutem Ausdruck vorgetragenen Vorspruch voraus, der nächst
Gott allen denen einen sinnigen Dank zollte, die sich um das Zustandekommen des anerkennenswerten Werkes verdient gemacht haben. Die Weihepredigt hielt Herr Pfarrkurat Seyfried. Er legte sich
das Wort des Evangelisten Johannes von dem Guten Hirten, der sein Leben für die Schafe läßt,
zugrunde, wobei er es auf die Kinderschule und das neue Gotteshaus deutete. Herr Pfarrkurat Faller
las sodann die heilige Messe, zu der der gemischte Chor der St. Antonius-Kirche die begleitenden Gesänge und ein neuerworbenes, klangvolles Harmonium den instrumentalen Teil ausführte.
Auch im übrigen umrahmten der Kirchenchor und das Harmonium den feierlichen Gottesdienst mit ihren stimmungsvollen Weisen.
Foto: festlich geschmückter Altar in den 30er Jahren
Geführt von den beiden Architekten Theo Preckel und Eduard Wolf wurde nach der Weiheandacht
das Gebäude besichtigt. Übrigens ist das Gebäude bis Donnerstag der Besichtigung freigegeben. Am Nachmittag fand in der Wirtschaft zum Arlinger eine weltliche Feier statt, bei der in verschieden Reden denen Anerkennung und Dank ausgesprochen wurde, die ihr Teil zum Gelingen des bei aller Bescheidenheit des Äußeren und Inneren dennoch gediegenem und ansprechenden Bauwerkes
beigetragen haben.“
Wie im St. Elisabethen-Haus der Pfarrei St. Antonius kamen vier Dominikanerinnen von
Neusatzeck/Bühl und nahmen ihre segensreiche Arbeit im neuen Theresienhaus auf. Über Kapelle
und Kindergarten stand eine bescheidene Wohnung für die Schwestern bereit. Von dieser
trennten die Schwestern noch einen Raum für eine Nähschule ab. Sie mußten hauptsächlich von
den spärlichen Einnahmen des Kindergartens, der Nähschule und des Krankenverein-Beitrags leben, ähnlich wie der hl. Franziskus und dabei leisteten die Schwestern Pionierarbeit im Arlinger.
Wie? = betend, handelnd, oft schweigend, fröhlich, ausstrahlend, liebend. Sie hatten ja dazu
hier in der Kapelle ihre „Tankstelle“, wie sie selbst äußerten.
Wo halfen unsere Schwestern? Im Kindergarten legten sie Grundlage zu Ökumene. Es waren
überwiegend evangelische Kinder hier. Auch in der Nähschule waren mehr andere Konfessionen
vertreten. Die Frauen und Mädchen erlernten für ein paar Pfennige die Fertigkeit des Nähens
von den tüchtigen Fachschwestern. Dabei wurde gelacht, gesungen, oft gute Gespräche geführt,
die auch pädagogische und religiöse Hilfen waren. Bei den Kranken fragten die Schwestern nicht:
“ Ist der Kranke evangelisch oder katholisch, ist er Christ oder Kommunist (von letzteren gab es
damals im Arlinger und Brühl mehrere). Ein Beispiel von Krankenschwester Camilla, die
resolut-feinfühlig, nahezu 20 Jahre hier liebevoll wirkte.
„Habt ihr ein Buch, über das ich nicht einschlafe? Heute nacht muß ich einem Hartgesottenen in die Ewigkeit helfen – evtl. braucht er auch zwei bis drei Nächte, ich darf nicht einschlafen!“
Zum Kirchenbau unserer jetzigen St. Bernhardskirche hat Sr. Camilla beim evangelischen Arlinger
Fabrikanten Ungerer „einen großen Brocken“ locker gemacht.
In Haus und Garten waltete die tüchtige Haushaltschwester.
Wann halfen sie? Immer – aber besonders in der Arbeitslosenzeit der 30er-Jahre, im 3. Reich,
in manch seelischer Not, nach dem 23. Februar 1945 (Großangriff auf Pforzheim), als Überlebende
in die äußerste Weststadt, insbesondere in den nicht zerstörten Arlinger strömten, bei Kriegsende
nach dem Einmarsch der Besatzungstruppen. In ihrem Habit gingen sie mutig durch die Straßen; auf Leiterwagen sammelten sie Bettzeug, um in der Kapelle „Wallensteins Lager“ aufzuschlagen, daß
Mädchen und Frauen Unterkunft und Schutz vor den damals wilden Marokkanern hatten.
Manchen Ausgebombten gewährten sie im Hause Obdach. Hier war Zuflucht, Heimat, Geborgenheit
für Leib und Seele. Die Seelsorger von St. Antonius hatten wenig Zeit bei den vielen anfallenden
Aufgaben. Dazu kamen noch die Dietlinger, Ellmendinger, „Weilemer“, Dietenhausener – Heimatvertriebene, Heimatlose zu der bisher ganz kleinen Katholikenschar in diesen Orten.
Hilfe und Trost war hier zu finden für die trauernden Angehörigen der Kriegsopfer. Sie kamen in
die Kapelle, weinend – betend – eng zusammengerückt und zusammengehörend: Die Kapelle half
zum „Mit-einander Kirche sein“. Neben Leid, Schmerz und Trauer konnte auch wieder Freude in der
Gemeinde erfahren werden. Viele haben für das Überleben, das Wieder-glauben-können und das Neuanfangen Kraft in der Kapelle geholt.
Zwei Priester, die Brüder Otmar und Günter Hirt sind Sproß aus der Theresienkapelle.
Primiz Juni 1960 und Juni 1964. Eine Dominikanerin Sr. Judith (Doris Zimmerer) fand sicher hier
als Kind und junges Mädchen ihren Weg; sie leitet heute die Internats-Mädchenschule beim
Mutterhaus in Neusatzeck.
Ein anderes Pfarrkind Brigitta Marschall gehört der Gemeinschaft der Weißen Schwestern Trier an.
Sie wirkt als Missionsschwester in Ruanda Afrika und bildet Katecheten aus.
Die Arlinger Gemeinde war bis zum 1. Januar 1961 Filiale von St. Antonius. Deshalb wurden
die Gottesdienste in der Theresienkapelle zunächst von Herrn Stadtpfarrer Faller und den
Kaplänen gehalten. Da ab Sommer 1946 katholische Gottesdienste in Dietlingen und Ellmendingen
durch die wachsende Katholikenzahl nötig wurden, übernahmen die geistlichen Religionslehrer der
Stadt die Sonntagsgottesdienste im Arlinger. (Prof. Jacobi, Herr Fauler, Herr Zeller).
Die Werktagsmessen zelebrierten die Kapläne von St. Antonius.
Kapellchen wird Gemeindesaal
Pfarrversammlung St. Bernhard Arlinger beschloß Umbau
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge nimmt die Pfarrgemeinde St. Bernhard im Arlinger
bei einer letzten Eucharistiefeier am 10. Februar um 10.30 Uhr in der Theresienkapelle Abschied
von deren ursprünglichen Bestimmung. Jahrzehnte hindurch war die Theresienkapelle der einzige Versammlungsort der Katholiken im Arlinger, bis das Gemeindezentrum St. Bernhard stand.
Die Kapelle ließ Geistlicher Rat Karl Faller, der von 1925 bis 1963 Pfarrer der Antoniuspfarrei war,
1931 bauen. Die Gemeinde wurde damals von der Antoniuspfarrei aus betreut. Kapelle,
Kindergarten und Schwesternstation fanden in dem Gebäude Platz. Sonntags ging es allerdings eng zu.
Nur 200 Kirchenbesucher konnte die Kapelle aufnehmen und dazu mußte noch ein Teil des Gottesdienstraumes, der werktags Kindergarten war, umgeräumt werden.
1964 wurden Kindergarten und Schwesternhaus neu gebaut. Die Kapelle diente nun ausschließlich
als Gottesdienstraum, und das Dachgeschoß, das ursprünglich die Schwestern bewohnten, benutzte
der erste Kurat der Gemeinde, Josef Fischer, als Pfarrwohnung. 1974 wurde das Gemeindezentrum
St. Bernhard in der Brendstraße fertiggestellt. Aus einer Gemeinde mit einigen hundert Gläubigen war inzwischen mit der Aufnahme von Keltern, eine Pfarrei von 2 000 geworden.
1989 kam es durch den Schwesternmangel zur Schließung der Schwesternstation. Da die Kapelle
kaum noch genutzt wurde, haben nun Pfarrgemeinderat und Pfarrversammlung über die weitere Verwendung der Kapelle beraten. Es gab mehrere Vorschläge, doch einigte man sich schließlich
auf die Umgestaltung des Raumes zu einem Gemeindesaal. Ausschlaggebend war, daß die Bernharduskirche bei Veranstaltungen ,der Gemeinde schwer abzutrennen ist. Das Erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg gab dieser Tage grünes Licht für das Vorhaben. Mit dem Erlös des
Adventsbasars der Frauen vor Weihnachten wurde ein finanzieller Grundstock für den Umbau
geschaffen.
Text Maria Schellhammer
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