Matinee zur Stadtgeschichte
Sonntag, 02. Oktober 2011

Der edlen Stifterin Frau Emma Jaeger gewidmet
100 Jahre Emma-Jaeger-Bad

mit
Kunsthistorikerin Christina Klittich M.A.

Die Stadt Pforzheim verfügte bis 1911 trotz etwa 70 000 Einwohnern weder über eine große öffentliche Winterbadeanstalt noch ein Sommerbad.

Schon 1890 hatte die städtische Bäderkommission auf die Notwendigkeit dieser Einrichtungen aufmerksam gemacht und die Erstellung eines „Regen“- oder Brausebades im alten Schlachthof
oder im Theatergebäude vorgeschlagen.
1891 ergab sich die Gelegenheit aus einem Nachlaß das Anwesen Gerberstraße 40 zu erwerben.
Dort sollten nicht nur Brausebäder, sondern eine Badeanlage mit Wannenbädern und Schwimmhalle entstehen. Infolge des Neubaus von Rathaus, städtischen Elektrizitätswerk und Saalbau wurde jedoch
das Projekt „Volksbad“ zurückgestellt, da zur Realisierung das Geld fehlte.

Erst nach einer testamentarischen Anordnung der Pforzheimer Fabrikantentochter Emma Jaeger
geb. Kiehnle im Jahr 1900 konnte mit den Planungen begonnen werden. Emma Jaeger hatte einen
Betrag von 500 000 Mark mit der Bestimmung zur Verfügung gestellt, daß die Summe entweder zur Erstellung einer Koch- und Haushaltungsschule oder zum Bau eines Volksbades zu verwenden sei. Bäderkommission, Stadtrat und Bürgerausschuß entschieden sich für die dringend erforderliche Winterbadeanstalt. Die Planungsphasen zogen sich jedoch mehrere Jahre hin.

Das Volksbad wurde zwischen 1909 und 1911 nach Plänen des Stadtbaumeisters Alfred Roepert
erstellt und am 27. November 1911 eingeweiht. Das neue Schwimmbad präsentierte sich mit allem Komfort der damaligen Zeit. Die Kosten des gesamten Bauwerks mit Innenausstattung betrugen
780.000 Mark.

In seiner Eröffnungsrede würdigte Oberbürgermeister Ferdinand Habermehl die Spenderin mit
folgenden Worten: „Wenn wir uns heute zur Einweihung des neuen Stadtbades zusammen gefunden
haben, so steht obenan und muss obenanstehen das Gefühl des Dankes an die edle Frau, die es möglich gemacht hat, eine Badeanlage zu erstellen, wie sie die Stadt ohne solche Freigebigkeit wohl kaum hätte erhalten können. Wir haben hier das in der Welt schon so oft gesehene Beispiel, dass eine Persönlichkeit, die in ihren eigenen Lebensgewohnheiten und Lebensansprüchen genügsam, ja karg ist, Summen, die ein Vermögen repräsentieren, zu opfern im Stande ist, um einer Idee, die die Persönlichkeit beherrscht, die
sie erfasst hat, zur Durchführung zu verhelfen!“

Emma Jaeger

Sie wurde am 19. November 1830 in Pforzheim geboren. Ihr Vater war der Bijouteriefabrikant
Johann Michael Kiehnle. 1856 heiratete Emma Kiehnle den Fabrikanten Konrad Joseph Jaeger.
Das junge Paar zog nach Hamburg, wo der Ehemann einen Exporthandel betrieb.
Im September 1862, nach nur sechs Jahren Ehe starb, Konrad Joseph Jaeger. Das einzige Kind der beiden war bereits verstorben. Emma Jaeger kehrte nach Pforzheim zurück und lebte einfach und zurückgezogen im elterlichen Anwesen in der Lindenstraße 10 (heute Amtsgericht). Als ihr Vater 1874 starb, erbte Emma ein beträchtliches Vermögen.

Am 4. Juni 1900 starb Emma Jaeger. In ihrem Testament hatte sie u.a. 325.000 GM für verschiedene Stiftungen eingesetzt, 500.000 GM für ein Volksbad, 150.000 GM für die Kunstgewerbeschule,
25.000 GM für den Kunstgewerbeverein, 60.000 GM für den Frauenverein und 40.000 GM für die Frauenarbeitsschule. Die evangelische Kirchengemeinde erhielt 100.000 GM, in den Theaterfond
flossen 50.000 Goldmark. Des weiteren bedachte sie viele anderen Vereine, Spitale und öffentliche Einrichtungen.

Gebäude
Das repräsentative Gebäude war „(..) durch seine Lage, Form und Größe dazu berufen, eine hervorragende Rolle bei der geplanten künstlerischen Ausgestaltung der Enzuferpartien zu spielen und
dem ganzen Bild ein elegantes, für Alt-Pforzheim charakteristisches Gepräge zu geben.“, wie
Alfred Roepert erläuterte.
Die Fassade mit schmückenden Schneckengiebeln wurde im Stil der Neorenaissance gestaltet.
Die Mitte der Enzuferfront nahm der von Erkern flankierte Verwaltungsbau ein. Im Osten schloß sich
die Männerschwimmhalle und nach Westen die 1945 zerstörte Frauenschwimmhalle an.
Bereichert wurde die Renaissancefassade durch zahlreiche Jugendstildetails: zahlreiche Fensterformen
und -größen, Tierplastiken, Ornamente in Ovalformen, Rosengirlanden und Masken. Die plastischen Arbeiten führten die Pforzheimer Bildhauer Gustav Schultheiß und Wilhelm Ordner aus. Das Hauptportal schmückten ursprünglich bekrönende Figuren.

Abteilungen
Das luxuriös ausgestattete Jugendstilbad bot seinen Gästen ein umfassendes Serviceangebot und
orientierte sich an den neuesten hygienischen und medizinischen Erkenntnissen. Der Badetempel wurde
den neuen Ansprüchen Reinigen, Kuren, Unterhaltung, Erholung und Schwimmen gerecht.
Im marmorgeschmückten Foyer mit seiner originalen Jugendstil Ausstattung erinnert heute noch ein
Mosaik mit Springbrunnen und Putten an die Stifterin Emma Jaeger. Gestaltet wurde das Fries von dem Pforzheimer Künstler Julius Müller-Salem. Musizierende und Blumen windende Putten reihen sich um
einen Gesundbrunnen. Die Inschrift lautet: „Der edlen Stifterin Frau Emma Jaeger gewidmet“.

An der Kasse erfolgte die Trennung der Geschlechter. Hier fand auch die Wäscheausgabe statt.

Von der Kasse aus gelangte man rechts über einen Flur zur Männerschwimmhalle.


Die Presse war damals sehr angetan von der Männerschwimmhalle und beschrieb sie als das „großartigste, was der Bau bietet.“ Die dreischiffige Schwimmhalle wurde in Basilikaform errichtet, wobei das Mittelschiff durch ein Gewölbe überspannt wurde. Um das Becken herum und auf der Empore waren insgesamt 62 Umkleidekabinen angeordnet. Das mit bläulich glasierten Platten verkleidete Becken hatte eineLänge von 23,30 m und eine Breite von 11,10m.

Die 1945 zerstörte Frauenschwimmhalle besaß einen ähnlichen Aufbau wie die „Männerseite“.
Allerdings war das Frauenbad kleiner. Das Schwimmbecken war nur 15 m lang und 8,50 m breit.

Neben den großen Schwimmhallen für Frauen und Männer waren weitere Abteilungen vorhanden:

ein römisch-irisches Schwitzbad mit Wasserbehandlung, Wannenbäder 1., 2. und 3. Klasse, medizinische Bäder, Brausebäder, Räume für Medico-Mechanik und auf dem Dach ein Licht-, Luft- und Sonnenbad.

Die Einrichtungen entsprachen dem Wunsch nach Hygiene, Körperkultur und therapeutischer Behandlung.
Die Benutzung der Schwitzbäder erfolgte für Männer und Frauen nach Zeiten getrennt In der Schwitzbadabteilung gab es ein Warm- und Heißluftbad, einen Massageraum, ein Dampfbad, ein elektrisches Lichtbad, ein Sprudel- oder Wildbad und zwei je 3,70 m lange und 2,20 m breite Schwimmbassins mit kaltem und warmem Wasser.

Die Wannenbäder 3. Klasse für Männer befanden sich im Erdgeschoß und die jeweiligen für Frauen im Untergeschoß. Die Wannenbäder 1. und 2. Klasse waren im Obergeschoß untergebracht. Insgesamt standen 41 Wannen zur Verfügung.

Im 1. Obergeschoß ordneten sich neben der Wannenabteilung die medizinischen Bäder an: Kohlensäure-, Moorsalz-, Kindersol-, Schwefel-, Lohtannin-, Vierzellen- und elektrisches Wasserbad. Die medico-mechanische Abteilung im 2. Obergeschoß bestand aus einem Turnsaal für Männer und Frauen, einem Arztzimmer und einem Garderobenraum.

Im Untergeschoß befanden sich zwei Brausebäder für Frauen und 15 für Männer sowie ein geräumiges Hundebad mit zwei Becken und Trockenräumen.

Am Eingang zu den einzelnen Abteilungen befanden sich großzügige Vorräume mit Bänken und Tischen.
Im 1. Obergeschoß war ein Erfrischungsraum eingerichtet, der den Charakter eines „kleinen Kaffees“ besaß.

Auf dem flachen Dach des Emma Jaeger Bades lag ein Licht-, Luft- und Sonnenbad, das von Frauen
und Männern zeitlich getrennt genutzt wurde.

1911 kostete ein Einzelbad in der Schwimmhalle mit Auskleidezelle für Erwachsene 35 Pfennige.
Für ein Wannenbad 1. Klasse waren 80 Pfennige, für die 2. Klasse 50 Pfennige und die 3. Klasse
30 Pfennige zu entrichten. Für ein Brausebad mit freier Zugabe von Seife mußten Erwachsene
15 Pfennige bezahlen.

Im Dezember 1911 hatte das Emma-Jaeger-Bad 25.000 Besucher.
Im 1. Betriebsjahr wurden 245.312 Bäder aller Art abgegeben, 1913 waren es schon 248.725 Bäder.

Schon einige Jahre nach Inbetriebnahme erhielt das Bad zahlreiche Verbesserungen. So wurde 1924
eine Filter- und Entkeimungsanlage angeschafft, die allerdings zunächst nur in der Männerschwimmhalle
für sauberes Wasser sorgte. Für die Frauenschwimmhalle wurde eine solche Investition erst ein Jahr
später getätigt. 1926 eröffnete ein Inhalatorium mit 9 Sitzplätzen.

Zerstörung und Wiederaufbau

Am 23. Februar 1945 wurde das Emma-Jaeger-Bad schwer beschädigt. In den Nachkriegsjahren ergriffen wieder Bürger die Initative für das Emma-Jaeger-Bad. In freiwilliger Gemeinschaftsarbeit
wurde die Ruine enttrümmert. Vor allem waren es Polizeibeamte, Mitglieder der Pforzheimer Schwimmvereine, Kinder und Jugendliche, die sich bei den Aufräumungsarbeiten einsetzten. Initiator
dieser Enttrümmerungsaktion war der DVP Stadtrat Wilhelm Weber.

Am 19. Dezember 1949 konnten die wiederhergestellte Männerschwimmhalle, 6 Brause- und 28 Wannenbäder eröffnet werden. Auch der repräsentative Eingangsbereich mit Teilen seiner Jugendstil-Ausstattung konnte wiederhergestellt werden. Die Frauenschwimmhalle wurde nicht mehr aufgebaut.
Die Presse schrieb damals zur Eröffnung: „Es war ein lang herbeigesehnte Weihnachtsgeschenk für
die Bevölkerung.“

Im Mai 1950 wurde die Abteilung der medizinischen Bäder in Betrieb genommen und im Dezember 1950 fand die Einweihung des irisch-römischen Dampfbades mit 25 Auskleidekabinen statt. Das neue Dampfbad verfügte über 25 Liegebetten, einen Heißluftraum mit Temperaturen bis 70° und einem Feuchtluftraum mit Temperaturen bis 45°.

Großen Wert legte man auf die künstlerischen Ausgestaltung der Räume. Der Pforzheimer Innenarchitekt Jockel Montenbruck und der Künstler Edward Mürrle verkleideten die vier Säulen des Bassin-Raumes
mit dekorativen Lithotarsien.

Erweiterungsbau
Die alte Halle erwies sich schon bald als zu klein. Außerdem erlaubte die Beckengröße keine Schwimmsportwettkämpfe. Deshalb beschloß der Gemeinderat 1954 die Erstellung einer 2. Schwimmhalle. Mit dem Bau wurde 1962 begonnen und am 25. September 1965 fand die Einweihung statt.

Der Erweiterungsbau umfaßte Lehrschwimmbecken, Schwimmhalle, Nebenräume und Verwaltungstrakt.

Das neue Schwimmbecken besaß die sportgerechten Maße von 25 x 15 m. Das Schwimmbecken konnte durch 16 Unterwasserscheinwerfer beleuchtet werden. An der westlichen Stirnseite des Beckens ordnete sich die Sprunganlage mit einem 1 m Brett, zwei 3 m Brettern und einer 5 m Plattform an.
Das neue Bad erhielt den Charakter eines Gartenhallenbades.

Das Urteil der Presse lautete: „Es gibt größere und komfortablere Bäder. Aber für Pforzheimer Verhältnisse ist es doch eine beachtliche Leitstung… Das Bad kann sich sehen lassen.“

1974 mußte die alte Schwimmhalle des Emma-Jaeger-Bades wegen Schäden an der Decke geschlossen werden. Die Kuppeldecke wurde abgehängt und eine Zwischendecke eingezogen.

1985 wurde der historische Gebäudeteil mit Außenfassade, alter Schwimmhalle, medizinischer Bäderabteilung, Dampfbad und Eingangshalle renoviert. Die medizinische Bäderabteilung wurde als „Gesundheitszentrum im Herzen der Stadt“ bezeichnet.

1986 erfolgte die Neugestaltung des neuen Teils zum Freizeitbad mit der Errichtung einer Gaststätte, Wasserrutschbahn und Außenbecken sowie Solarien und Bräunungslandschaft.

Mit Attraktionen wie Bodensprudel, Wasserpilz, Solebecken und Blockhaussauna entspricht das
Stadtbad seit 2002 den modernen Ansprüchen „Spaß, Sport & Wellness“.

Zur Zeit werden Teile des historischen Gebäudes zu einem Kreativzentrum umgebaut. Bis 2013 soll das Projekt realisiert sein. Auf drei Etagen sollen Kreative aus verschiedenen Branchen Einzel- und Gruppenarbeitsplätze, Vortrags- und Besprechungsräume und Ateliers erhalten. Ein Fahrstuhl wird im Innenhof instaliert. Pro Familia soll das 2. Obergschoss und das Dachgeschoss beziehen.

Inzwischen ist die Alte Halle wegen Baufälligkeit geschlossen und wird nie mehr als Schwimmbad fungieren. Die Möglichkeiten, die Alte Halle für geschätzte rund 2 Millionen Euro zu sanieren, wurden
nicht erwogen. Das neue Konzept sieht eine Umnutzung des Raumes vor, eventuell als Veranstaltungshalle. Somit geht mit dem 100. Geburtstag des so genannten „Emma“ gleichzeitig eine Ära zu Ende, denn die noch bestehenden Teile des historischen Gebäudes werden in ihrer Gesamtheit nicht mehr als Volksbad genutzt.

Christina Klittich M.A.
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