Die “Herstellung des natürlichen, gottgegebenen Zustandes”?
Die Volksabstimmung über den Südweststaat am 9. Dezember 1951 in Stadt- und Landkreis Pforzheim
Vortrag
Dr. Christian Groh, Pforzheim
anlässlich der 4. Matinee am 23.06.2002
“Simma jetz scho bei de Schwobe?”
Diese – in breiten mittelbadischen Dialekt – gestellte Frage habe ich neulich im Zug aus Basel nach München kurz vor dem Bahnhof Pforzheim gehört. Sie mag zum einen davon zeugen, daß es trotz Baden-Württembergs Spitzenstellung bei der PISA-Studie mit der politischen Bildung vielleicht nicht ganz so weit her ist. Ich glaube aber, daß es vielmehr die in der Region äußerst komplizierten Grenzverläufe sind, die es den armen Badenern heute noch schwer machen, zwischen den eigenen Landsleuten und den württembergischen Nachbarn zu unterscheiden, mit denen man vor fünfzig Jahren eine Vernunftehe eingegangen ist und an die man sich wie es in der ZEIT formuliert wurde, mittlerweile gewöhnt hat ohne sie zu lieben .
Gleichzeitig zeigt die mit leicht boshaftem Unterton intonierte Frage im Zug, daß die Grenze an sich zwar keinerlei Bedeutung mehr hat, daß die Neckereien und kleinen Boshaftigkeiten zwischen Badenern und Württembergern aber auch fünfzig Jahre gemeinsame Geschichte überstanden haben. Pforzheimer waren hiervon meist verschont, sie sind nicht nur geographisch ein Grenz- und Ausnahmefall, sondern machten sich schon früh der „Schwabenneigung“ verdächtig . Vielleicht waren die Pforzheimer mit die ersten, die erkannt haben, daß Badener und Württemberger nur gemeinsam unwiderstehlich sind? Jedenfalls gingen von der Stadt und den umliegenden Gemeinden schon früh Bestrebungen aus, die Verwaltungsgrenzen in der Region zu korrigieren. Und die Menschen in Stadt und Landkreis Pforzheim sollten auch bei der Landesgründung vor fünfzig Jahren mehrheitlich das zeigen, was man – betrachtet man Baden-Württemberg als Erfolgsgeschichte – in der Rückschau als politische Vernunft bezeichnet.
Doch der Weg zur Landesgründung war ein langer, obwohl es schon früher Bestrebungen gegeben hatte, die beiden Nachbarn im Südwesten zu vereinigen. Theodor Heuss, der 1945 den deutschen Südwesten das „Modell der deutschen Möglichkeiten“ nannte , war angeblich bereits 1918 für einen Zusammenschluss der beiden Nachbarstaaten gewesen. Im Januar 1919 äußerte Heuss vor der DDP die Worte: Ich könnte mir … gut vorstellen, daß Württemberg und Baden einen anständigen Staat zusammen geben, das heißt nicht, daß wir von hier aus Baden ‚annektieren‘ sollten … Aber vor der Territorialgeschichte dieser beiden Staaten brauchen wir wirklich keine Ehrfucht zu haben … Baden ist geographisch ein recht unglückliches Gebilde, wie es sich um Württemberg herumlegt – Schwarzwald und Neckar, die Stammesarten und die Wirtschaftsaufgaben sind uns gemeinsam.
Die Zeitschrift „Die Jugend“ hatte 1921 die zu erwartenden Probleme einer Verbindung zwischen Baden und Württemberg in hübsche Worte gekleidet:
Es waren zwei Nachbarskinder,
Die hatten sich beide lieb,
Bald etwas mehr und bald minder,
Ach, wenn das doch immer so blieb,
Da sprach das eine zum andern:
Ich schlage Dir vor, mein Kind,
Gemeinsam durchs Leben zu wandern,
Weil wir ja Nachbarn sind!“
Das Mägdelein schwieg erst bedächtig
Und brachte dann schüchtern hervor:
Ich fürchte, Du haust mich mächtig,
Beim Ehekontrakt übers Ohr!
Auch wirst Du schalten und walten,
Wie Dir’s gerade gefällt!
Ich darf den Schnabel halten
Und werde kaltgestellt!“
Das Leben wird Dir verzuckert!“
Beschwor der Jüngling die Maid.
Ich mag einmal nicht nach Schtuckert!“
So hieß des Mädels Bescheid.
Noch heute sind beide zu schauen
Als Bräutigam und Braut:
Man kann sie leider nicht trauen,
Weil kein’s dem anderen traut.“
Das kleine Gedicht erweist sich in der Rückschau geradezu als visionär: tatsächlich befürchtete das Mädelein, verkörpert durch Badens Leo Wohleb, vom schwäbischen Fuchs Reinhold Maier übers Ohr gehauen zu werden. Die Landeshauptstadt wurde Stuttgart, dort wurde auch das gemeinsame Kind getauft – aber: sie wurden eben doch getraut – allerdings nach einigem Hin und Her:
Die Bestrebungen aus Weimarer Zeit, die meist von der Wirtschaft ausgegangen waren, oder aber Teil einer Bewegung zu einer umfassenderen Reichsreform waren, mit dem Ziel, Preußen zu zerschlagen, blieben in der badischen wie württembergischen Landesregierung unbeachtet und versandeten ergebnislos . Im Dritten Reich wurde Baden über den Reichskommissar Wagner, Württemberg durch von Jagow beziehungsweise später durch „Reichsstatthalter“ Wilhelm Murr gleichgeschaltet. Baden wurde nach dem Sieg über Frankreich im Juni 1940 zum „Reichsgau Baden/Elsass“ erweitert.
Ironischerweise waren es die Nachkriegswirren und die auf eine Dezentralisierung Deutschlands zielende Politik der Besatzungsmächte, die letzten Endes zum größeren Land Baden-Württemberg führten. Die aus der militärischen Situation zum Kriegsende resultierende Lage schuf schließlich die ersten Grundlagen für den Südweststaat.
Zunächst deutete hierauf jedoch nichts hin. So gingen etwa die US-amerikanischen Militärs in ihren Nachkriegsplanungen für Deutschland von Baden und Württemberg als zwei Staaten aus. Colonel William Dawson, der später erster Land Director Nordbadens und Nordwürttembergs wurde, war seit 1942 auf seine spätere Aufgabe im Hinblick auf das alte Land Baden vorbereitet worden. Allerdings setzten die US-Amerikaner voraus, daß sie den Südwesten komplett erobern würden. Im März und April 1945 feierte indes die französische Armee Erfolge und nahm gar die beiden Landeshauptstädte Karlsruhe und Stuttgart ein. Auch in Pforzheim, so wissen wir, herrschten zunächst die Franzosen, die im April 1945 die Stadt eingenommen hatten.
Ausschlaggebend wurden in der Folgezeit Zonengrenzen. Durch sie gingen sowohl Baden als auch Württemberg ihrer Einheit verlustig. Nachdem die US-Amerikaner durch wirtschaftlichen Druck gegenüber der französischen Besatzungsmacht eine Verschiebung der Zonengrenzen erreicht hatten, verlief die Trennlinie nicht mehr von Nord nach Süd, sondern von West nach Ost. Die Amerikaner hatten erreicht, daß für ihre Besatzungszone bedeutende Verkehrswege komplett in ihrer Hand lagen: von Frankfurt bis München verfügten sie nun über eine Autobahnstrecke. Entlang derselben liegt auch Pforzheim und so waren nicht nur die beiden Hauptstädte in amerikanischer Hand, sondern auch die „Goldstadt“. Die Franzosen respektierten die alten Ländergrenzen in ihrer südlich der Autobahn gelegenen Zone: was von Baden übrig war, also die südlichen Landesteile, firmierte nun als Land Baden und wurde von Freiburg aus regiert. Der rührige Staatspräsident Leo Wohleb von der CDU – 1947 ins Amt eingeführt – sollte zum Hauptverfechter der Wiederherstellung des alten Landes Baden werden und nahm für sich in Anspruch, auch für Nordbaden zu sprechen. Daneben vereinigten die Franzosen die südwürttembergischen Gebiete mit dem ehemals preußischen Hohenzollern zum Land Württemberg-Hohenzollern und der Hauptstadt Tübingen, wo Wohlebs Parteifreund Gebhard Müller ab 1948 regierte.
Pragmatischer gingen die US-Amerikaner ans Werk, die eher an einem Wiederaufbau einer deutschen Verwaltung und funktionierenden Wirtschaft interessiert waren als die Franzosen und infolgedessen alten Grenzen wenig Respekt zollten. Ungeachtet der alten Ländergrenzen, die wirtschaftlichen Konsequenzen aber fest im Blick, wurde der nördliche Teil Badens und Württembergs zum Land Württemberg-Baden mit der Hauptstadt Stuttgart vereinigt. Hier regierte Reinhold Maier von der liberalen DVP, der bis 1933 Wirtschaftsminister in Württemberg gewesen war.
Sicherlich war die Teilung Badens, die durch die Militärpolitik der Siegermächte zustande gekommen war, für viele eine schmerzhafte Erfahrung. Doch war Baden in seiner damaligen Gestalt relativ jung – es waren durch den Reichsdeputationshauptschluß 1803 erst großräumige Gebiete zu Baden gekommen, die sich auch noch fast eineinhalb Jahrhunderte später anderen territorialen Bindungen verpflichtet fühlten – denkt man etwa an die rechtsrheinische Kurpfalz.
Die territoriale Zugehörigkeit war in Pforzheim hingegen nie fraglich. Schließlich war Pforzheim sogar 1535 bis 1565 badische Residenz gewesen. Die Beziehungen aber gingen stets über die Landesgrenze hinaus. Wirtschaftlich waren die Stadt und ihre Umgebung voneinander abhängig, mit der Industrialisierung kamen Pendler aus badischen und württembergischen Gemeinden „gerasselt“. Immer wieder hatte die Stadt und die Region an der eigenartigen Grenzlage wirtschaftlich zu leiden gehabt und somit nimmt es wenig Wunder, daß die Bindung an Baden beim Geldbeutel endete.
Die Vereinigung des nördlichen Teils Badens mit Nordwürttemberg war nicht allein eine durch die Besatzungsmacht oktroyierte Maßnahme, sie brachte auch handfeste wirtschaftliche Vorteile mit sich. Und es gab durchaus deutsche Verantwortliche, die in ähnliche Richtung gedacht hatten. Ernst Walz, ehemals Senatspräsident beim Württemberg-Badischen Verwaltungsgerichtshof, erinnerte daran, daß der Zusammenschluß Nordwürttemberg-Nordbaden nach Kriegsende zwar von der Besatzungsmacht angeordnet, aber keineswegs allein auf deren Initiative zurückzuführen war. So seien sowohl Professor Holl, Karlsruher Literaturprofessor, der die erste nordbadische Landesverwaltung ins Leben gerufen hatte, als auch Walz selbst als Holls Stellverteter der Ansicht, daß eine gemeinschaftliche Verwaltung der nordwürttembergischen und nordbadischen Gebietsteile anzustreben sei. Walz schreibt in einem Brief vom 24. November 1949: Es mag zutreffen, daß … die Militärregierung ihrem Wunsche nach einer einheitlichen Verwaltung von Nord-Württemberg und Nord-Baden eindringlich Ausdruck verlieh: fest steht, daß die ersten Schritte auf diesem Wege aus deutscher und zwar nordbadischer Initiative entsprungen sind. Karl Holl hatte seinerzeit sogar als Hauptstädte in erster Linie Heidelberg und in zweiter Linie Ludwigsburg vorgeschlagen, um eine Rivalität zwischen Stuttgart und Karlsruhe oder Mannheim zu vermeiden.
Solche Stimmen waren unter Deutschen allerdings selten. Selbst spätere Kämpfer für den Südweststaat widerstrebte zunächst der Gedanke an ein Württemberg-Baden. Reinhold Maier, später als schwäbischer Imperialist beschimpft, betrachtete den Schwarzwald als natürliche Grenze zwischen Baden und Württemberg und wies auf die historischen Unterschiede hin, als er von amerikanischen Militärregierungsvertretern über deren Vorhaben informiert wurde. Auch der nordbadische CDU-Politiker Heinrich Köhler, später von südbadischen Parteifreunden als Verräter bezichtigt, weil er den Südweststaat unterstützte, mußte noch am 29. Oktober 1945 „im Befehlston“ gezwungen werden, als Vertreter Badens in die Stuttgarter Regierung einzutreten und er bestand auf einer paritätischen Kabinettsbesetzung .
Die Situation ab Sommer 1945 läßt sich also wie folgt zusammenfassen: statt eines Baden und eines Württemberg gab es ein französisch besetztes Südbaden, ein französisch besetztes Württemberg-Hohenzollern und ein amerikanisch besetztes Nordwürttemberg-Nordbaden. Mit dieser Konstellation begann der „Kampf um den Südweststaat“, wie der lange Prozeß bis zur Landesgründung 1952 martialisch genannt wurde. Politiker Südbadens, allen voran Leo Wohleb, strebten die Wiederherstellung des alten Baden an. In Württemberg-Hohenzollern blieben die Verbindungen nach Stuttgart und in den amerikanisch besetzten Landesteil lebendig. Unzufrieden waren Süd-Badener und Südwürttemberger. Doch gelang es den Südwürttembergern viel leichter, den Kontakt nach Stuttgart aufrecht zu erhalten. Carlo Schmid, Chef der Landesverwaltung in Württemberg-Hohenzollern nahm beispielsweise weiter an Stuttgarter Kabinettssitzungen teil.
Daß der Kontakt Südbadens mit dem nördlichen Landesteil nicht so gut zu halten war, hatte nicht nur damit zu tun, daß es Gebiete gab, deren Verwobenheit mit Baden weniger eng waren als im altbadischen Kernland. Hinzu kam, daß eine Vereinigung Badens möglicherweise die Konsequenz gehabt hätte, daß das Land komplett in französische, Württemberg in amerikanische Besatzungsverwaltung gefallen wäre. Nun war die Versorgung in den französisch besetzten Landesteilen aber wesentlich schlechter als in der US-Zone. Die Südbadener konnten die Pforzheimer, Karlsruher, Mannheimer oder Heidelberger mit wenig locken, während die Südwürttemberger nicht nur aus emotionalen Gründen ein ganzes Württemberg anstrebten, sondern zusätzlich die Aussicht hatten, in die US-Zone zu geraten.
Die während des Krieges vom deutschen Nachbarn gepeinigten Franzosen mußten von ihrer Besatzungszone leben und schwächten ihre Zone durch die Lasten der Besatzung. Sie unterstützten altbadische Bestrebungen, denn mit dem alten Land Baden hätte Frankreich über eine wesentlich größere und wirtschaftsstärkere Zone verfügt, die von Koblenz im Norden bis Konstanz im Süden gereicht hätte. Die US-Amerikaner hätten schwerlich ihre rechtsrheinischen Gebiete aufgegeben – immerhin befand sich ihr Hauptquartier für Europa in Heidelberg – doch das Schreckgespenst eines französischen Rheinbundes zeigte seine Wirkung auf deutsche Politiker in Nordbaden. Schlimmer noch als die Schwaben waren die westlichen Nachbarn. Der badische Landesbezirkspräsident Heinrich Köhler – ich erwähnte bereits, er wandelte sich vom Verfechter des alten Baden zum Befürworter des Südweststaats und wurde deswegen des Verrats bezichtigt – begründete seinen „Umfall“ in einem Brief an Carl Diez vom 9. August 1948: Ich habe lange mit mir gerungen; denn meine nun fast dreijährige Zusammenarbeit mit den Württembergern hat mir doch recht tiefe Einblicke gegeben in die Psyche dieses handfesten und ellenbogenstarken Volkes. Wenn ich mich jetzt entschlossen habe, für den Zusammenschluß unserer beiden Länder einzutreten, … so deshalb, weil ich nicht mehr länger mit ansehen kann, wie die beiden Südteile systematisch ruiniert und zum wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenbruch gebracht werden. … Den zweiten Impuls haben mir internationale Betrachtungen gegeben. Ich möchte in die Geschichte nicht eingehen als ein Förderer der Rheinbundbestrebungen der Franzosen.
Es kam nicht zum befürchteten Rheinbund: nachdem die Militärgouverneure der drei westlichen Besatzungsmächte den westdeutschen Regierungschefs in den Frankfurter Dokumenten im Juli 1948 den Auftrag erteilt hatten, Vorschläge für eine Neugliederung der Länder zu erarbeiten, trafen sich die drei südwestdeutschen Regierungschefs Maier, Wohleb und Müller mehrmals, ohne sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen zu können. Wohleb beharrt auf seiner Forderung, die alten Länder wieder herzustellen. Die Landesverfassungen sahen nun den Weg eines Volksentscheids vor, den auch die Alliierten unterstützten. Doch auch hier gab es Meinungsverschiedenheiten: Wohleb wollte eine Stimmenauszählung nach alten Ländern, seine Kontrahenten bevorzugten eine Zählung nach Nachkriegsgrenzen.
Das Grundgesetz, das am 23. Mai 1949 in Kraft trat, sah nach Artikel 29 in Gebietsteilen, die nach 1945 ihre Landeszugehörigkeit geändert hatten, ein Änderung durch Volksbegehren vor. Im Südwesten konnte abweichend hiervon eine Neuregelung durch Vereinbarung der betroffenen Länder erfolgen. Übergangsartikel 118 formulierte aber: Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so wird die Neugliederung durch Bundesgesetz geregelt, das eine Volksbefragung vorsehen muß.
Eine solche Volksbefragung war denn auch für den September 1951 geplant. Der Regierungsentwurf sah vor, daß in vier Abstimmungsbezirken, also den Nachkriegsgrenzen entsprechend, gewählt werden sollte. Der Landesverband der Arbeitsgemeinschaften der Badener bezeichnete in einem „Badischen Manifest“ vom Juni 1951 diese Entscheidung als eine „Vergewaltigung durch den Bundestag“ und legte „feierlichen Protest“ ein. Tatsächlich hatte eine informatorische Volksbefragung am 24. September 1950 ergeben, daß in drei der Bezirke eine Mehrheit für den Südweststaat war, aber, zählte man die Stimmen nach alten Ländern aus, es im historischen Baden eine knappe Mehrheit für die Wiederherstellung der alten Länder gab. Die Altbadener sahen sich nicht ganz zu Unrecht benachteiligt. Sie reichten Klage beim neu gegründeten Bundesverfassungsgericht ein. In seinem ersten Urteil lehnte das höchste Gericht die badische Klage ab und terminierte die Volksabstimmung nun auf den 9. Dezember 1951.
Nun entbrannte der Kampf um die Stimmen der Bevölkerung. Hat man den aktuellen Wahlkampf 2002 im Hinterkopf, so erscheinen uns der angeblich „kantige“ Bayer Stoiber, der „Genosse der Bosse“ Schröder aus Hannover und selbst der „18-prozentige“ Westerwelle aus dem Rheinland im Vergleich zu den Abstimmungskämpfern im deutschen Südwesten 1951 als harmlose Sandkastenstreiter. Abgesehen vom häufig derben Inhalt der Plakate oder harten Sprüchen in Reden, nahmen schon die organisatorischen Bemühungen beider Seiten zuweilen Formen an, die eher an geheimpolizeiliche Methoden denn an Wahlkampf erinnern. Der Generalsekretär der „Arbeitsgemeinschaft für die Vereinigung Baden-Württemberg“, Albert Lehr, schrieb am 20. Mai 1950 an Pforzheims Oberbürgermeister Brandenburg: Eine Beobachtung der Methoden, die Herr Staatspräsident Wohleb mit Erfolg angewendet hat, zeigt, daß besonders wirksam kleine geschlossene Sitzungen im Kreis von 40-50 Personen, meist Honoratioren, Intellektuelle usw. zu sein scheinen. Diese Methode führt in konsequenter Anwendung dazu, daß sich überall im Land Kristallisationspunkte bilden, und selbst Gebiete, in denen unsere Auffassung absolut vorherrschend ist, sind davon nicht ausgenommen. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als daß wir selbst so schnell wie möglich mit dieser gründlichen, zähen und zielbewußten Kleinarbeit beginnen. Lehr schlug eine ähnliche Methode vor mit zahlreichen persönlichen Einladungen zu Veranstaltungen, bei denen es darum gehe, gerade auf Schwankende einzuwirken, aber: Selbstverständlich wird man nicht ausgesprochene Gegner einladen, die nur als Zuträger zur anderen Seite hin wirken.
Hans Bausch, Reporter vom Studio Tübingen des Südwestfunks berichtete über die Atmosphäre vor der Volksbefragung: In den letzten acht Tagen vor dieser Volksbefragung … gab es einen richtigen Radiokrieg, weil Radio Freiburg, also das Südwestfunkstudio Freiburg für Altbaden kämpfte und Studio Tübingen für Südweststaat. Wir erinnerten uns an die BBC-Sendungen während des Krieges gegen Goebbels und so hat sich das etwa abgespielt: … Daß so etwas möglich war und daß es bis in die Familien hinein, etwa in Südbaden, Zerwürfnisse gab, das muß man deutlich herausstellen. Am Abend vor dieser Volksbefragung hatte ich zu reden … in Rastatt und mir wurde ein südwürttembergischer Polizeibeamter in Zivil mitgegeben, damit ich mich da überhaupt hingetraute. Da waren in der Turnhalle von Rastatt … etwa 400 Leute angesammelt, die eine drohende Haltung einnahmen und ich begann meine Rede … mit den Worten: ‚Mein Großvater war hier in Rastatt Soldat, mein Vater war hier in Rastatt Soldat und heute bin ich hier.‘
In einem Brief an Brandenburg wurde der badische Staatspräsident Leo Wohleb von einer Konstanzer Anhängerin des Südweststaats als „gewalttätiger, gerissener Diktator“ bezeichnet, der die Massen hypnotisiere. Die Altbadener wurden als „Volksaufwiegler“, „Kreaturen“ und „Wohlebbande“ betitelt . Solche von einer Privatperson gezogenen Vergleiche, die einen demokratischen Politiker gefährlich nahe an Hitler rückten, sind sicher nicht repräsentativ. Sie sind aber eine Folge einer zuweilen vergifteten Atmosphäre und eines mit allen Härten geführten Wahlkampfs.
Im unmittelbaren Vorfeld der Abstimmung, Anfang November, mahnte der südwürttembergische Staatspräsident Gebhard Müller an, wenigstens die letzte Runde des Südweststaat-Abstimmungskampfes ruhig, friedlich und sauber auszuführen, wie es sich unter Brüdern gehört. Befolgt wurde dieser Rat offensichtlich nicht. Mannheims Oberbürgermeister Hermann Heimerich verglich in einer Rede vor dem Stadtrat am 4. Dezember 1951 die Methoden der Altbadener mit der gewissenlosen Agitation und den Lügen und Verleumdungen der Nationalsozialisten. Und der Kurpfälzer nahm seine fernen württembergischen Landsleute in Schutz: [E]ines muß doch ausdrücklich zurückgewiesen werden: der Haßgesang der Altbadner gegenüber unseren württembergischen Mitbürgern. … Wenn jetzt der badische Markgraf gegenüber dem Berichterstatter einer ausländischen Zeitung geäußert hat, daß die Schwaben die nicht weniger tüchtigen, aber rücksichtsvolleren Badner an die Wand drücken würden, so ist das eine Behauptung, die nur ein Mann aufstellen kann, der vielleicht seinen persönlichen Gefühlen Ausdruck gibt, aber politisch völlig ahnungslos ist. Rücksichtslose und rücksichtsvolle Menschen gibt es überall, in Baden und Württemberg. Ganz Baden … ist mit Württembergern durchsetzt, ebenso wie viele geborene Badner drüben in Württemberg wohnen. Die Württemberger sind genauso unsere deutschen Brüder wie die Franken im Bauland und die Alemannen in Freiburg.
Die von Heimerich so bezeichnete Vermischung zwischen Badenern und Württembergern war auch und gerade in Pforzheim besonders deutlich. Und daß es überall rücksichtslose und rücksichtsvolle Menschen gibt, das wußten die Pforzheimer, die jahrhundertelang an der Grenze gelebt hatten, vielleicht auch schon lange. Es wundert deshalb kaum, daß in der Region Pforzheim nicht der Schwerpunkt der Wahlkampfaktivitäten war.
Hier waren sich die „Südweststaatler“ ihrer Sache recht sicher. Schließlich gab es auch handfeste, wirtschaftliche Gründe, die schon früh erkannt worden waren. Alle Versuche einer Neugliederung, wie sie besonders in der Zeit der Weimarer Republik unternommen worden waren, waren gescheitert. Und nun befanden sich Stadt und Landkreis Pforzheim seit 1945 wieder in die eigenartige Randlage gedrängt, die ihren Einwohnern die Bezeichnung der „Dach-Drauf-Schwaben“ gebracht hatte. Pforzheim und seine Umgebung ragten nun nicht mehr nur als badische Landzunge in die württembergische Umgebung. Sie bildeten gleichzeitig eine von der Politik der US-Amerikaner geprägte Enklave in einer Region, die bedingt durch französische Besatzungspolitik und deren kriegsfolgenbedingten eingeschränkten Möglichkeiten noch länger an den wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Krieges zu leiden hatte.
Die Verantwortlichen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft waren nie zufrieden gewesen mit den unglücklichen Bezirksgrenzen in der Region und so wundert es nicht, daß sie auch nach 1945 bereits früh auf neue Verwaltungsgrenzen hinwirkten. Der mögliche Südweststaat sollte nach den Vorstellungen der Pforzheimer und ihrer nahen Nachbarn nur eine Etappe sein auf dem Weg zu einer völligen Neuordnung der Region.
Am 30. März 1949 faßte der Pforzheimer Stadtrat nach Fühlungnahme mit der Verwaltung des Landkreises bei vier Enthaltungen und keiner Gegenstimme erfüllt von der ernsten Sorge um die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Stadt … und des ihr wirtschaftsgeographisch zugeordneten Umlandes folgenden Beschluß:
Die Württemberg-Badische Staatsregierung wird dringend gebeten:
– ihre Bemühungen um die baldige Errichtung eines lebensfähigen Südweststaates beschleunigt und nachdrücklich fortzusetzen und alles zu tun, was die Erreichung dieses unabdingbaren Zieles zu fördern geeignet erscheint;
– jetzt schon alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den künftigen Südweststaat verwaltungsmäßig so zu gliedern, daß die Verwaltungsgrenzen seiner Teilgebiete den ideellen Grenzen der wirtschaftsgeschichtlich gewachsenen Teilräume entsprechen, wobei erforderlichenfalls jede Rücksicht auf die derzeitigen Landesgrenzen zurückzustellen ist.
Der Pforzheimer Einzelhandelsverband begrüßte den Beschluß und mahnte in einem Schreiben an die Stadtverwaltung vom 20. Juni 1949 an, daß die mittleren und unteren Verwaltungsgrenzen durch eine Neugliederung den wirtschaftlichen Erfordernissen angepasst werden sollten. Noch im Juni bildete sich eine „Aktionsgruppe für die Neuordnung des Enz-Nagold-Gebietes“, der sich Oberbürgermeister Brandenburg beim Gründungstreffen persönlich, als Abgeordneter und als Oberbürgermeister zur Verfügung stellte. Aus dieser Aktionsgruppe ging der „Bund zur Neuordnung des Enz-Nagold-Gebiets“ als eingetragener Verein hervor, in dem zahlreiche prominente Vertreter des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens der Region vertreten waren.
Die angestrebte Neuordnung in der Region war nur zu erreichen, wenn die Grenze zwischen Baden und Württemberg ignoriert würde. Insofern war dem Bund an der Gründung eines größeren Südweststaates gelegen. Vorrangiges Ziel war er indes nicht, denn mit dem von den Amerikanern geschaffenen Gebilde Württemberg-Baden wären ja bereits Voraussetzungen vorhanden gewesen. Kurzum: der Bund unterstützte die Werbung für den Südweststaat, verfolgte aber ein längerfristiges Ziel. In der heißen Phase des „Wahlkampfes“ um den Südweststaat trat der Bund denn auch zugunsten anderer Vereinigungen – meist auf überregionaler Ebene – zurück. Als der Stadtrat Pforzheim dem „Bund zur Neuordnung des Enz-Nagold-Gebietes“ einen städtischen Zuschuss für das Jahr 1950 in Höhe von 1500,- DM bewilligte, bat er gleichzeitig, die Gelder lediglich zur Vorbereitung der abzusehenden Südweststaatsabstimmung zu verwenden, nicht aber zu Propagandazwecken für eine Neuordnung der Region. Diese Angelegenheit habe hinter der politisch wichtigeren des Südweststaats zurück zu stehen, so der Stadtrat in seiner Begründung. Oberbürgermeister Brandenburg mahnte den Bund im übrigen wiederholt zu Zurückhaltung bis nach der Volksabstimmung, zum letzten Mal wenige Wochen vor dem Urnengang.
Doch noch einmal kurz zu dem städtischen Zuschuss: Sie ahnen alle, was passierte, als die Presse davon berichtete? Richtig! Am 9. Dezember 1949 meldete sich die Gegenseite: Der Landesverband der Arbeitsgemeinschaften der Badener bat um den gleichen Betrag und begründete dies damit, daß auch diejenigen Pforzheimer, von denen ein voraussichtlich nicht geringer Teil für Baden stimmen würde, mit ihren Steuergeldern die Gegenseite finanziere. Wenn der Pforzheimer Stadtrat mit gleichem Maße gegenüber seinen Bürgern messe, erspare er sich für später schwere Vorwürfe. Der Brief endete im übrigen nicht mit einem Gruß, sondern wie bei der Arbeitsgemeinschaft üblich mit: „Frisch auf mein Badnerland!“ Der Stadtrat lehnte den Antrag ab. Bereits im März 1949 hätte sich nicht nur die Stadt, sondern auch sämtliche Organisationen des Stadt- und Landkreises für den Südweststaat ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund sahen sich die Stadträte außer Stande, der Gegenseite finanzielle Beihilfe zu leisten.
Die Position des Stadt- und Landrats in Pforzheim war also eindeutig. Und Vertreter beider engagierten sich auch in den überregionalen Vereinigungen für den Südweststaat. Eine der rührigsten hiervon, die von verschiedenen Städten Badens ausging, war die „Arbeitsgemeinschaft für die Vereinigung von Baden und Württemberg“. Durch deren Aktivitäten, so die anwesenden Vertreter der Städte Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim, Weinheim und Pforzheim in einer Sitzung am 3. Oktober 1949, sollte den Anhängern des Südweststaats in Südbaden der Rücken gestärkt werden . Oberbürgermeister Brandenburg stellte sich der Vereinigung immer wieder als Redner zur Verfügung, sofern dies sein Zeitplan als Stadtoberhaupt und Landtagsabgeordneter zuließ. Schließlich konnte er auch als Parlamentarier für die Sache streiten. Die Sitzungen schien er nicht immer genossen zu haben: so findet sich auf einer Einladung ein handschriftlicher Vermerk: teilgenommen, müde Sache! Pforzheims in der Eifel geborenes Stadtoberhaupt– Brandenburg war erst 1945 nach Pforzheim gekommen – blieb aber ein zuverlässiger Kämpfer für den Südweststaat.
Aber auch den lange ansässigen Pforzheimern in Stadt und Land waren landsmannschaftliche Bindungen weniger wichtig als die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Schließlich war ökonomischer Fortschritt immer wieder durch die Grenzlage gehemmt worden. Der natürliche Einzugsbereich der Stadt, der geographisch bedingt und durch die Traditionsindustrie gewachsen war, umfasste die ehemaligen Amtsgerichtsbezirke Neuenbürg, Pforzheim-Land und Mühlacker. Nach 1945 ergab sich ein noch komplizierteres Bild. Eine Denkschrift der Stadt an die württemberg-badische Staatsregierung zählt die Zuständigkeiten in einzelnen Verwaltungsbereichen des Einzugsgebiets auf. Demnach waren die südlichen Regionen nun in der französischen Zone gelegen, somit zum Teil Ländersache, also von Tübingen aus bestimmt. Die nordöstliche Region wurde vom württembergischen Landesbezirk Württemberg-Badens in Stuttgart gelenkt, der Rest wie die Stadt selbst vom badischen Bezirk in Karlsruhe.
Als besonders anschauliches Beispiel führt die Denkschrift das ehemalige Oberamt Neuenbürg an, aus dem bereits 1925 fünf Tausend Pendler nach Pforzheim reisten und das allein wegen geographischer Bedingungen enge Beziehungen hierher hatte. Doch 1945 geriet das Oberamt nach Württemberg-Hohenzollern: Landgericht und Gewerbeaufsichtsamt für Neuenbürg waren nun in Tübingen, Handwerkskammer in Reutlingen, Wasserwirtschaftsamt im württembergischen Eutingen, Feldbereinigungsamt in Freudenstadt, Versorgungsamt und Handelskammer in Rottweil, Arbeitsgericht, Bezirksbauamt, Straßen- und Wasserbauamt, Bezirksschulamt und Eichamt immerhin im nahen Calw.
Die Denkschrift an das Staatsministerium und den Landtag bezeichnete schon in ihrem Vorwort die Verwaltungsgrenzen als eine Groteske, die selbst das reichste Volk sich auf die Dauer nicht leisten könnte. Aber lediglich der Blick auf eine Landkarte verdeutliche, wie leicht der natürliche, ja in diesem Falle gottgegebene Zustand herzustellen und damit die volle Leistungsfähigkeit des Pforzheimer Raumes zu garantieren sei.
Der Wirtschafts-und Kulturstandort Pforzheim müsse durch eine im Zuge der Südweststaatsbildung vorzunehmende Korrektur der hemmenden Verwaltungsgrenzen in der Region gestärkt werden. Die Stärkung der Zentralitätsfunktion für die Umlandgemeinden durch eine Angleichung der administrativen Zuständigkeiten sowie die Stärkung des Verkehrsstandorts Pforzheim könnten erst wieder die Grundlagen schaffen für eine wirtschaftliche Erholung der örtlichen international ausstrahlenden Schmuckindustrie: Pforzheim ist eine internationale Stadt und hat daher einen aus eigener Leistung erworbenen Anspruch darauf, nicht aus lokalen oder regionalen Maßstäben heraus gewertet und behandelt zu werden, sondern gemäß seiner Bedeutung als bedeutender Aktivposten unserer Wirtschaft und als jederzeit geachteter, systemunabhängiger und gern gesehener Ambassadeur deutscher Weltgeltung. Der dadurch frei gesetzte Leistungsstrom würde wieder das Tor in die Welt weit öffnen und helfen, die deutsche Zukunft zu sichern, so zog die Denkschrift Bilanz.
Die Altbadener versteiften sich in ihrer Argumentation auf die willkürliche Brechung der Tradition durch die Grenzziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Südbaden ging es wirtschaftlich gesehen wesentlich schlechter als Württemberg-Baden. Und das lag nicht allein an der härteren Besatzungspolitik der Franzosen, sondern auch an der vergleichsweise ungünstigen Wirtschaftsstruktur. Womit hätte Südbaden also den mittlerweile durch erste wirtschaftliche Erfolge verwöhnten nordbadischen Industriestädten wie Pforzheim ein wieder hergestelltes Baden schmackhaft machen sollen? Begannen doch gerade die industrialisierten Regionen in Nordbaden von vereinfachten Handelsbedingungen zu profitieren.
Ein beliebtes Argument der Altbadener war die angebliche Übervorteilung Badens durch die gerissenen und tüchtigen Schwaben. – Als Beweis sei kurz eine Anekdote angeführt: „Der frühere Reichskanzler Joseph Wirth, ein ‚Altbadener‘ erster Ordnung, erzählte in einer Versammlung von einem Gräberfund bei Freudenstadt: Die Gelehrten hätten sich darüber gestritten, ob das Skelett keltischen oder alemannischen Ursprungs sei. Schließlich habe eine aus Berlin herbeigeholte Kapazität die Knochenreste einwandfrei einem Schwaben zugeschrieben, ‚weil die Ellenbogen übermäßig stark, ja brutal entwickelt waren.“ – Schwäbischer Imperialismus wurde auch gerne in den Abstimmungsplakaten evoziert. Abgesehen davon, daß von einem größeren Staat beide Seiten profitieren sollten, wehrten sich selbst Nordbadener gegen die Vorwürfe, von den Württembergern übers Ohr gehauen zu werden. In einem Rundbrief vom Oktober 1949 erklärte der Präsident des Landesbezirks Baden, er trete für den Südweststaat ein, nicht obwohl, sondern gerade weil er Badener sei: Es ist des badischen Volkes … unwürdig, immer wieder zu behaupten, daß wir von den Württembergern jetzt und erst recht im Falle der Bildung des Südweststaates über die Ohren gehauen würden, als ob wir Badener untüchtige Tölpel wären, die sich hüten müßten, sich mit dem Nachbarvolk zu vereinigen, und als ob die badischen Abgeordneten, Minister und Beamten nicht Manns genug wären, die Interessen des badischen Volkes und der badischen Wirtschaft zu wahren.
Eine noch deutlichere Position zu den Anklagen, Württemberg würde Baden übervorteilen, nahm Pforzheims Stadtoberhaupt ein. Im Hinblick auf die verkehrspolitisch unbefriedigende Lage der Stadt, die von der ungünstigen Grenzlage zwischen Baden und Württemberg sowie zwischen den beiden Eisenbahndirektionen Karlsruhe und Stuttgart herrührte und die seit Errichtung der Eisenbahnstrecken im 19. Jahrhundert immer wieder Anlaß zu Klagen in der Region gegeben hatte, nahm Brandenburg Stellung zu einem Artikel in der Zeitschrift „Badnerland“ vom 11. Oktober 1951: Wenn die Zeitschrift ‚Badnerland‘ … behauptet, daß die Interessen der Stadt Pforzheim im wiederhergestellten Lande Baden mit ‚größerem Erfolg‘ vertreten werden können, so ist dies ein Lockruf , auf den die Pforzheimer und ihre badische und württembergische Umgebung nicht hereinfallen werden. Eine solche Aussicht ist aus der Luft gegriffen und bereits vorweg durch die historische Entwicklung Lügen gestraft. Wenn es irgendeine Stelle in der Vergangenheit gegeben hat, die dazu berufen und verpflichtet gewesen wäre, die Interessen Pforzheims mit dem vom ‚Badnerland‘ versprochenen ‚größeren Erfolg‘ zu vertreten, so hätten die badischen Regierungen und die Eisenbahndirektion Karlsruhe hierzu reichlich Gelegenheit gehabt. … Man hat nun einmal im früheren Lande Baden der Industriestadt Pforzheim neben der Residenz Karlsruhe nicht jene Bedeutung eingeräumt, die der Stadt zukam, und hat damit unserer Stadt viele Chancen aus der Hand genommen. … Wir wissen aus der Vergangenheit zu gut und erleben es in der Gegenwart, daß der Länderegoismus und die Eigensüchtigkeit von Verwaltungen eine großzügige Regelung gerade im Verkehrswesen immer wieder verhindern und erschweren, und dieser Gefahr möchten wir unsere Stadt und ihre Umbegung nicht noch einmal aussetzen. Nur ein Südwest-Staat, der auch eine Änderung der Verwaltungsgrenzen zur Folge hat, kann uns für Pforzheim die Garantie geben, daß wir nicht mehr so sträflich vernachlässigt werden, wie dies in der Vergangenheit geschehen ist. … Deshalb ist es für uns und unsere Nachbarn, mögen sie nun Badener oder Württemberger sein, besser, wenn eine ordnende Instanz für uns sorgt und plant und damit jeder Eigensucht und Eigenbrötelei bürokratischer Verwaltungen die Spitze abbricht. [Hervorhebungen i. O.]
Die Kommunalpolitiker der Stadt Pforzheim und des Landkreises standen hinter den Forderungen in der Denkschrift und somit hinter dem Südweststaat. Selbst Bürgermeister von Enztalgemeinden sprachen sich für die Eingliederung in den Landkreis Pforzheim aus, nachdem die Wiederherstellung des Kreises Neuenbürg gescheitert war. Pforzheim war leichter zu erreichen und hatte mehr Beziehungen und Pendler als die Kreisstadt Calw. Wir dürfen annehmen, daß Oberbürgermeister Brandenburg auch deshalb gegen die Wiederherstellung der alten Länder war, da die französische Zone zentralistisch ausgerichtet war und die Städte ihrer weit gefaßten kommunalen Selbstverwaltung verlustig gegangen wären. Brandenburg war auch in anderen Bereichen ein leidenschaftlicher Kämpfer für eine umfassende kommunale Selbstverwaltung. Beispielsweise stritt er lange für die Beibehaltung der kommunalen Polizei im Land.
Nicht nur Politik und Verwaltung der Region warben für den Südweststaat. Der Konsens in der Region war breit. Der Einzelhandelsverband, die Industrie- und Handelskammer, die gesamte Wirtschaft sah sich mit den Zielen der Stadt und des Landkreises einig. In den Betrieben wurde für den Südweststaat Werbung gemacht. Doch gab es auch Pannen: so erhielt Oberbürgermeister Brandenburg erst einen Tag vor einer geplanten Ansprache in einer Pforzheimer Fabrik die Absage des wohl wenig vorausschauenden Chefs: Leider steht nun, was ich mir gestern abend nicht überlegt habe, kein geeigneter Raum für eine solche Betriebsversammlung für morgen zur Verfügung, da wir zur Zeit in unserem Gefolgschafts-Essensraum Arbeiten durchführen… Ich bedauere sehr, Ihnen diese Mitteilung heute machen zu müssen, doch werde ich nicht verfehlen, in anderer geeigneter Weise auf unsere Gefolgschaft im Sinne der Südweststaats-Idee einzuwirken.
Hauptträger der Propaganda für den Südweststaat blieb in der Region – allein wegen seiner herausragenden Stellung als Stadtoberhaupt und Landtagsabgeordneter Brandenburg. Er nahm an Veranstaltungen in Stadt- und Landkreis teil, er arbeitete in den überregionalen Vereinigungen für den Südweststaat und er nutzte auch andere Gelegenheiten, um für den Zusammenschluss der drei Länder zu werben. Beispielsweise fasste Brandenburg seine Argumente in einer Rede während des Staatsbesuchs des Bundespräsidenten Theodor Heuss am 1. Juni 1950 zusammen: Die Stadt Pforzheim führte die Menschen diesseits und jenseits der Ländergrenzen zusammen, sie wob vielerlei menschliche Beziehungen, und es hat sich nach der Meinung von Kennern eine starke Vermischung der Bevölkerung der Stadt mit dem Menschen aus dem schwäbischen Nachbarland ergeben. Einer letzten freien Entwicklung freilich standen jedoch von jeher die Ländergrenzen entgegen. Unsere Stadt kann deshalb von ihrer Forderung, daß sie als wirtschaftlicher und verkehrsmäßiger Schwerpunkt auch aus der staatlichen und verwaltungsmäßigen Randlage erlöst wird, nicht abgehen. Wir sehen diese Lösung aber nur in der Bildung eines größeren Landes im Südwesten Deutschlands, nicht in einer Rückkehr zu früheren Bedingungen. Wir achten unseren Anteil an der badischen Geschichte, sehen aber einer neuen und größeren Lösung brennend entgegen.
Brandenburgs Ruf ging über die Region hinaus. So wandte sich eine verzweifelte Anhängerin des Südweststaats aus dem fernen Konstanz persönlich an Pforzheims Oberbürgermeister mit der inständigen Bitte, den armen Südbadnern zu helfen, damit sie der Dritte im Bund sein dürften und nicht draußen vor der Tür stehen müßten. Die Politiker konnten sich übrigens einer seltenen Einmütigkeit mit den Menschen der Region erfreuen, die sich sogar bis auf die Jugend erstreckte. Allerdings waren Jugendliche anfangs der fünfziger Jahre noch nicht derart gescholten wie später. So schrieb ein 17jähriger an Brandenburg: Als guter Bürger der Stadt Pforzheim bitte ich Sie, den Kampf um die Vereinigung von Württemberg und Baden fortzusetzen und wenn es zur Wiederherstellung der alten Länder kommen sollte, für die Ausgliederung des Stadt- und Landkreises Pforzheim aus dem Land Baden und für die Eingliederung in das Land Württemberg einzutreten. … Pforzheim hat von Baden noch nie seiner Wirtschaft entsprechende Würdigung und Anerkennung erhalten. Es ist kaum auszudenken, was passiert, wenn das alte Land Baden unter Wohleb wieder aufgerichtet wird. … Ich bin zwar erst 17 Jahre alt und bitte Sie Herr Oberbürgermeister, meine Dreistigkeit zu verzeihen, aber ich weiß, daß Sie sich für das Wohl der Jugend besonders einzusetzen wissen. … Für all das, was Sie schon im Interesse der Stadt getan haben, meinen herzlichen Dank.
Mußten sich die Interessensvertreter aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft im Wahlkampf nicht ganz so anstrengen wie in anderen Regionen, wachten sie dennoch peinlichst genau auf Störfeuer von der Gegenseite. So schrieb der Vorsitzende des „Bundes zur Neuordnung des Enz-Nagold-Gebiets“ am 8. Oktober 1949 an die Redaktion des „Pforzheimer Kurier“, dessen überlokale Redaktion in Karlsruhe saß, wenn die Tageszeitung den Anspruch erhebe, ein Blatt für den Kreis Pforzheim zu sein, müsse die Redaktion auch Kenntnis nehmen von den Bestrebungen für den Südweststaat in Pforzheim: Ihre Leitartikel haben bis jetzt noch in keinem einzigen Fall eine derart positive Stellungnahme zum Südweststaat ausgedrückt, wie es mit der Verbreitung Wohleb’scher Gedankengänge laufend geschieht. Wir müssen Sie daher namens der großen Mehrheit der Pforzheimer Bevölkerung dringend ersuchen, als überparteiliches Blatt auch die Anhänger des Südweststaates gebührend zu Wort kommen zu lassen… Selbstverständlich ist uns bekannt, daß Sie im Rahmen des Pressegesetzes jede Haltung, auch die extremste, einnehmen können. Sie dürfen aber dann nicht verlangen, noch als Pforzheimer Blatt gewertet zu werden. Wir bitten Sie, davon Kenntnis zu nehmen, daß wir Ihre Haltung in den nächsten entscheidenden Monaten mit Interesse verfolgen werden.
Die Stimmung für den Südweststaat war in Pforzheim und im Landkreis eindeutig. In einem Neujahrsgruß für die Schwarzwälder Post aus Oberndorf am Neckar zum Jahreswechsel 1949/50 schrieb Brandenburg: In Pforzheim kann es über das Ergebnis einer Abstimmung keine Zweifel geben. … Ich hoffe, zusammen mit der Bevölkerung unserer Stadt, daß das Jahr 1950 uns den Südweststaat bringt.“ Es wurde zwar 1952, bis sich die Hoffnung Brandenburgs erfüllte, aber die Abstimmung fand schließlich und endlich am 9. Dezember 1951 statt.
Kurz zuvor ließ der badische Landesbezirkspräsident in sämtlichen Amtsblättern der nordbadischen Gemeinden einen Aufruf veröffentlichen, in dem er seine Argumente für den Südweststaat darlegte und in dem er darauf hinwies, daß Nordbaden nur durch die Kassenhilfe aus Württemberg in den vergangenen Jahren seinen Pflichten hatte nachkommen können. Durch eine Vereinigung der drei südwestdeutschen Länder könnten ausgeglichenere Verhältnisse entstehen mit einer selten glückliche[n] Mischung von Land- und Forstwirtschaft, von gewerblichen Klein- und Mittelbetrieben, von Industrie, Handel und Handwerk. Ausgeglichene Verhältnisse in politischer, wirtschaftlicher, konfessioneller und sozialer Hinsicht werden im Südweststaat vorherrschen. Der Südweststaat wird in jeder Beziehung einer der wirtschaftlich leistungsfähigsten und sozial gesündesten Staaten in der Bundesrepublik werden.
Einen Tag vor der Volksabstimmung rief auch Brandenburg die Bevölkerung auf, zahlreich zur Abstimmung zu gehen und für den Südweststaat zu stimmen. Auch Landrat Dissinger richtete einen Aufruf an die Bevölkerung, in dem er – ähnlich wie der badische Bezirkspräsident und wie Oberbürgermeister Brandenburg auf die Vorteile hinwies, die die Region seit dem Zusammenlegen Württemberg-Badens hatte: Besonders der Vergleich mit den Kreisen der südbadischen oder südwürttembergischen Länder zeigt deutlich, welchen Vorteil Stadt- und Landkreis Pforzheim seit 1945 aus ihrer Zugehörigkeit zum derzeitigen Land Württemberg-Baden hatten. Es wird wohl von niemand bezweifelt, daß sowohl der Wiederaufbau der Kriegsschäden [sic] wie auch die einzigartige Leistung im Siedlungsbau, besonders aber auch die Förderung der Industrie auf ein Vielfaches des Vorkriegsstandes nur durch die finanzielle Mithilfe des nordwürttembergischen Landesteiles möglich war. … Ich wende mich deshalb heute gegen jeden demagogischen Mißbrauch des Heimatgefühls wie auch gegen konfessionelle Verhetzung, da die Schaffung des Südweststaats niemand von uns seine Heimat nimmt und die Abstimmung selbst eine reine Angelegenheit der Gesamtbevölkerung ist. Gerade wir in Pforzheim wissen, daß wir ältestes badisches Land sind und daß wir auch im neuen Staat in Zukunft Badener bleiben und damit unseren Fahnen und Liedern treu bleiben werden.
Landrat und Oberbürgermeister sollten sich in ihrer Bevölkerung nicht getäuscht haben. Innerhalb Badens waren die 90,7 Prozent Stimmen in der Stadt und 84,5 Prozent im Landkreis für den Südweststaat die beiden höchsten Anteile. Auch die Wahlbeteiligung von 69,4 Prozent in der Stadt war überdurchschnittlich hoch. Die 64,9 Prozent im Landkreis lagen etwas unter dem Durchschnitt Nordbadens, aber noch deutlich über dem Gesamtdurchschnitt.
Die Zustimmung innerhalb Badens war in den strukturschwachen Regionen oder dort am stärksten wo die nach 1803 gezogenen Grenzen Nachteile für die Umgebung gezeitigt hatten beziehungsweise die Identifizierung mit Baden geringer war. So erreichten die Südweststaatsbefürworter im Bauland, im Kraichgau, im Bodenseegebiet und in der Kurpfalz die meisten Stimmen. Durchschnittlich hatten sich 57,1 Prozent der Nordbadener für den Südweststaat ausgesprochen. Lediglich in den Kreisen Karlsruhe Stadt und Land sowie Bruchsal fanden sich die Altbadener in der Mehrheit. Je näher der Kreis an der alten Grenze lag oder je enger die wirtschaftlichen Beziehungen nach „drüben“ waren wie etwa in Sinsheim oder Mosbach, desto geringer waren offensichtlich die Berührungsängste zu den Württembergern und desto mehr Wahlberechtigte stimmten für die Landesneugliederung.
Ähnliches gilt selbst für Südbaden, in dem insgesamt eine Mehrheit von 62,2 Prozent für das alte Baden gestimmt hatte. In den Landkreisen Konstanz, Stockach, Überlingen und Villingen stimmten jeweils Mehrheiten für den Südweststaat, mit 65,5 Prozent die meisten in Überlingen. Es erübrigt sich fast zu erwähnen, daß die Zustimmung in den badischen Kernlanden am geringsten war: Karlsruhe und Bruchsal in Nordbaden wurden bereits genannt; in Baden-Baden stimmten lediglich 21,9, in Rastatt 15,8, in Offenburg 20,7 und mit 10,4 Prozent in Bühl am wenigsten Wahlberechtigte für das spätere Land Baden-Württemberg. In Würrtemberg-Hohenzollern waren durchschnittlich 91,5 Prozent für den Südweststaat, Ausreißer gab es hier weder nach oben noch nach unten. Gleiches gilt auch für Nordwürttemberg mit 93,5 Prozent Ja-Stimmen.
Interessant, daß bislang niemand auf die Idee gekommen ist zu fragen, wieso die Zustimmung in Württemberg durchgängig war und niemand meinte, auf Baden verzichten zu können. Immerhin zeigten die Württemberger mit 50,4 Prozent Wahlbeteiligung weniger Interesse als die Menschen in den anderen Bezirken. In allen Abstimmungsbezirken zusammen lag die Abstimmungsbeteiligung bei 58,8 Prozent. In der Landeshauptstadt lag die Abstimmungsbeteiligung mit 59,1 am höchsten, am niedrigsten war sie mit 37 Prozent in Backnang. Naheliegenderweise lag die Beteiligung in den beiden badischen Abstimmungsbezirken höher als in den württembergischen. Auch die Wahlbeteiligung in Württemberg-Hohenzollern, wo den Menschen am Südweststaat gelegen sein mußte, blieb mit 52,2, Prozent hinter dem Gesamtdurchschnitt.
Die meisten Menschen gingen einerseits in den Hochburgen der Altbadener zur Abstimmungsurne, andererseits in denjenigen Kreisen Nordbadens, wo man sich wirtschaftliche Vorteile vom Südweststaat erhoffen konnte. Bemerkenswert ist das Ergebnis im Landkreis Buchen, wo mit 79,3 Prozent der Wahlberechtigten die meisten Menschen abstimmten, das Ergebnis allerdings weniger eindeutig war „nur“ eine knappe Mehrheit von 56 Prozent und damit hinter Bruchsal am wenigsten Menschen stimmten hier für den Südweststaat. Mit 79,2 Prozent lag im südbadischen Landkreis Bühl die Abstimmungsbeteiligung am zweithöchsten, die Ablehnung des Südweststaats zu 89,6 Prozent war auch hier deutlich.
Oberbürgermeister Brandenburg bedankte sich bei seinen Pforzheimern bereits einen Tag nach der Abstimmung für das Engagement und vor allem für das Abstimmungsverhalten und sprach gleichzeitig seine Wünsche an das noch zu gründende Land aus: Es ist mir ein aufrichtiges Bedürfnis, der Bevölkerung der Stadt Pforzheim meinen Dank auszusprechen für das große Interesse, das sie gesten an diesem politischen Vorgang durch ihre Wahlbeteiligung gezeigt hat., vor allem aber dafür, daß sie sich trotz verstärkter Gegenpropaganda nicht irremachen ließ …. Pforzheim hat … eindeutig seinen Willen, zu einem gemeinsamen Lande Baden-Württemberg zu gehören bekundet und kann verlangen, daß dieser Wille respektiert wird. … Wir dürfen nun erwarten, daß alle den Hader der letzten Jahre hinter sich lassen und sich in dem neuen Bundesland zu gemeinsamer fruchtbarer Arbeit zusammenfinden, denn es werden noch schwere Aufgaben vor uns liegen. … Die Stadt Pforzheim erwartet, nachdem sie – und in erfreulichem Maße auch der Landkreis – sich eindeutig für eine Neugliederung des Südwestraumes ausgesprochen hat, daß die künftige Regierung und der künftige Landtag auf verwaltungsmäßigem Gebiete diejenigen Wünsche berücksichtigen, die wir seit Jahren berechtigtermaßen vorzubringen haben. … Wir Pforzheimer, die wir von jeher mit den Württembergern in guter Nachbarschaft gelebt haben, wünschen dem neuen Bundesland eine gedeihliche Entwicklung zum Nutzen des Ganzen und zum baldigen Wiederaufbau unserer Stadt.
Für die Pforzheimer war mit der Landesgründung, die schließlich am 25. April 1952 vollzogen wurde, erst ein Etappensieg erreicht. Am 19. Januar 1952 meldete sich denn auch der Bund zur Neuordnung des Enz-Nagold-Gebiets zurück: Er habe über ein Jahr lang geschwiegen, um die Voraussetzungen für die Durchführung der Volksbefragung im Jahre 1950 und der Volksabstimmung im Jahre 1951 nicht zu stören und der „Vereinigung Südwest“ als der für den Abstimmungskampf allein zuständigen Organisation Bewegungsfreiheit zu geben. Nachdem jetzt die „Vereinigung Südwest“ … ihre Tätigkeit eingestellt hat, ist es an der Zeit, daß der Bund zur Neuordnung des Enz-Nagold-Gebietes als Nachfolgeorganisation der Vereinigung Südwest alle Kräfte sammelt, um ein Wort in der Neugestaltung mitzusprechen und die Meinungen der für den Wirtschaftsraum Pforzheim zuständigen Organisationen und Personen zu koordinieren. Die Forderungen nach einer Neuordnung der Region mußten jedoch noch lange Jahre auf Erfüllung warten.
Immerhin sprachen sich bei der erneuten Volksbefragung, die nach einer Verfassungsklage der Altbadener 1970 durchgeführt wurde, wieder ein Rekordanteil von 94,5 Prozent in Pforzheim-Stadt beziehungsweise 93,2 Prozent im Landkreis für den Verbleib in Baden-Württemberg aus. Im Folgejahr wurden mit dem Beschluß der Verwaltungsreform im Ländle und der Bildung des heute bestehenden Enzkreises immerhin ein Teil der Jahrzehnte alten Forderungen erfüllt – doch das ist eine andere Geschichte.
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