Grussworte der Stadt Pforzheim
Anlässlich der Jahreshauptversammlung der
LÖBLICHEN SINGERGESELLSCHAFT VON 1501 PFORZHEIM
am 6. Januar 2008Im Namen und Auftrag von Oberbürgermeisterin Christel Augenstein
überbracht durch Bürgermeister Gert Hager, Stadt Pforzheim
Rede im vollen Wortlaut: Es gilt das gesprochene Wort!
„Bildung ist alles – ohne Bildung ist alles nichts !“
Warum – meine sehr geehrten Herren – dieses Thema bei der Hauptversammlung der Löblichen
Singer, warum muss sich ein Bürgermeister mit dieser Frage im Grußwort auseinandersetzen ???
Es wäre doch so einfach, ein nettes Grußwort zum Jahresbeginn zu sprechen, ein wenig zu loben
und allen viel Glück und Erfolg im Neuen Jahr zu wünschen. Sehr schön, aber meiner Meinung
nach zu wenig.
Ein Grußwort bei den Löblichen Singern hat sich meiner Meinung nach mit wichtigen Zukunftsfragen
zu befassen und soll Perspektiven aufzeigen.
Nun, mit „Bildung“ haben wir in Deutschland doch scheinbar kein Problem: die Kindergarten-Plätze reichen für alle Kinder aus – die Besuchsquote liegt nahe bei 100 %. Bildungsinhalte werden
dort – kindgerecht – vermittelt.
Die Schulpflicht sorgt dafür, dass alle Kinder mindestens 9 Jahre zur Schule gehen und sie dort das notwendige Rüstzeug für das Leben vermittelt bekommen sollen. Erzieherinnen, Erzieher, Lehrerinnen
und Lehrer sorgen tagtäglich mit viel und oft bewundernswertem Engagement dafür, dass Kinder
lernen können.
In einer hochentwickelten Industrienation wie Deutschland haben wir auch gar keine andere Chance
für die Zukunftssicherung als auf Bildung zu setzen. Nur indem wir Wissensvorsprünge aufbauen und dauerhaft sichern fallen wir im weltweiten Wettbewerb nicht zurück.
Aber Vorsicht !
Andere Länder – vor allem in Asien – holen massiv auf und haben es sich zum Ziel gesetzt uns zu überrunden. Es bleibt uns also gar nichts anderes übrig, als auf eines zu setzen:
Bildung, Bildung und nochmals Bildung !
Wenn doch aber alles in Ordnung zu sein scheint, warum haben wir denn mit der „Bildung“ so
ein großes Problem ?
Warum schneiden wir denn bei internationalen Vergleichstests wie z.B. „PISA“ maximal
durchschnittlich ab ?
Nun, wir sind ein Land der Gegensätze geworden: am einen, oberen Ende der Skala wissenschaftliche Spitzenleistungen, Patente in großer Zahl, Nobelpreise !
Am unteren Ende der Bildungsskala müssen wir in den nächsten Jahren enorm viel investieren, wenn
wir die Bildung oder gar schon die Verfestigung eines Bildungsproletariats verhindern oder
umkehren wollen.
Glücklicherweise funktioniert Bildung und Erziehung bei der Mehrzahl der Kinder – nehmen wir
mal den Wert von 85% – nach wie vor recht gut.
Aber die restlichen 15 % Kinder bereiten uns und zwar uns allen erhebliche Probleme: der PISA-
Schock ist dabei noch das Wenigste !
Jedes Kind, das die Erziehung zu einem verantwortungsbewussten und ausbildungsinteressierten
Bürger nicht schafft, kostet die Gesellschaft viel Geld und viele andere Ressourcen !!!
Gerade in diesen Tagen lesen und hören wir immer wieder von jungen Menschen, die außerhalb
unserer gesellschaftlichen Ordnung zu stehen scheinen. Die Münchner U-Bahn-Schläger sind hier
natürlich der Extremfall. Um es an dieser Stelle in aller Deutlichkeit zu sagen:
diese Taten sind durch nichts zur rechtfertigen, die Täter gehören mit aller Härte des Gesetzes bestraft. Nichts anderes kann hier gelten !!
Nur – wie ist es bei diesen jungen Menschen so weit gekommen ?
Sozial entwurzelt – geringe Bildung – verantwortungslos – perspektivlos
eine fatale Kette !!!
Wenn tatsächlich 10 – 15% der Kinder und Jugendlichen erhebliche Startprobleme für ihr Leben
haben, dann geht uns das alle an, gerade hier vor Ort, gerade auch in unserer Heimatstadt Pforzheim.
Wir können es uns nicht leisten, Kinder ins Abseits gleiten zu lassen. Dies gilt nicht nur vor dem gesellschaftlichen Konsens der Chancengleichheit, sondern auch vor dem Hintergrund knallharter, ökonomischer Fakten: ein Jahr Arbeitslosigkeit eines einzelnen Mitbürgers kostet rund 30.000.– €, Fachkräfte fehlen schon heute an allen Ecken und Enden, die demografische Entwicklung mit viel zu
wenig Kindern tut das Übrige dazu !
Hier und genau hier müssen wir dringend investieren !!! Eine gute Erzieherin kann bereits nach wenigen Wochen Arbeit mit einem kleinen Kind mit hoher Treffgenauigkeit voraussagen, wie der weitere Weg verlaufen wird. Kann es sein Potential nutzen, kann es seinen Weg machen ??
Also müssen wir uns – ob wir nun wollen oder nicht – um die Familien dringend kümmern, wo ein
normaler Lebensverlauf nicht mehr funktioniert.
Denn der Erwerb von wissensbasierter Bildung klappt dann einwandfrei – Kinder sind von sich aus
enorm wissbegierig und interessiert an entsprechender Bildung – Bildung klappt also erst dann, wenn
die soziale Bildung und die kulturelle Bildung sich problemlos entwickeln und aufbauen kann !
Soziale Bildung beginnt und entwickelt sich in der Familie von den ersten Lebensmonaten an. Wertevermittlung, soziale Bindung und Elternliebe – wer dies nicht bekommt, hat eine schwere
Hypothek zu tragen – oft lebenslänglich !
Kein Elternteil möchte für sein Kind aus sich heraus etwas Schlechtes – im Gegenteil ! Und zum Glück funktioniert Kinderliebe und Erziehung auch im weit, weit überwiegenden Teil unserer Familien – auch
bei uns, in unserer Heimatstadt Pforzheim !!! Diejenigen Familien, bei denen es aber nicht funktioniert brauchen unsere Unterstützung – im wohlverstandenen eigenen Interesse von uns.
Familien- bzw. Elternbildung, Bündnis für Familien, Familienhebammen, Familienzentren – all dies sind Projekte, die nicht Selbstzweck sind, sondern langfristig eine sehr hohe Rendite erwarten lassen.
Genauso wichtig ist auch die kulturelle Bildung: Grundwissen über Geschichte und kulturelle Errungenschaften unseres Landes ist Grundlage für ein erfolgreiches Berufsleben. So ganz nebenbei ist Kultur auch persönlich sehr bereichernd und erfüllend. Dazu werden wir später mehr hören von
Frau Dr. Isabel Greschat.
In Pforzheim gibt es zum Glück Vereinigungen wie die Löblichen Singer. Sie kümmern sich intensiv
um Vermittlung von Bildung, Kultur und Geschichte.
Mit den zahlreichen Vorträgen, Matineen oder auch dem Internet-Archiv zur Geschichte unserer
Stadt tun sie sehr viel, um Pforzheim weiter voran zu bringen.
Dafür danke ich Ihnen, meine sehr geehrten Herren, sehr herzlich und wünsche Ihnen im Namen der
Stadt, des Bürgermeisteramtes und des Gemeinderates viel Glück und Erfolg in 2008 – sowohl im persönlichen Bereich wie auch bei den Aktivitäten der Löblichen Singer !!!
Wenn wir weiterhin so gut zusammenarbeiten und in unserer Stadt zusammen stehen, dann ist mir für die Zukunft Pforzheims nicht bang – um es leicht abgewandelt mit den Worten des Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog zu sagen:
„ Es muss einen Ruck geben durch unsere Stadt!!“
Packen wir’s an !!!
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