PZ-Forum.
am Sonntag, 05.07.2009, 11.15 Uhr
Begrüßungsrede Obermeister Claus Kuge
Vom Ursprung des Schulwesens in Pforzheim bis zur Lateinschule im 16. Jhd.
Ich will Sie auf eine Zeitreise mitnehmen.
Auf eine Zeitreise von den Anfängen des Schulwesens in Pforzheim bis zur Gegenwart ins Jahr 2009.
Am 17. Januar 1289 wurde erstmals als Zeuge einer Beurkundung ein Pforzheimer Schulmeister
namens Cunrat genannt. Und da der Orden der Dominikaner 1279 in Pforzheim gegründet wurde,
lässt sich daraus schließen, dass sich im Konventgebäude der Dominikaner die Pforzheimer Lateinschule befand.
Überhaupt nahm im 13. Jahrhundert das vielgestaltige und verzweigte kirchliche Bildungswesen gerade
in städtischen Regionalzentren einen raschen Aufschwung. Und Pforzheim war in der badischen Markgrafschaft ein städtisches Zentrum und besaß neben 3 Klöstern auch ein Dekanat. Der Aufschwung des Schulwesens wurde durch die großen Laterankonzilien von 1179 und 1215 gewollt und gefördert.
Den größten Anteil hatten daran die Dominikaner, die 1228 Konstitutionen erlassen haben, die dem geistlichen Nachwuchs Studien zur Verbesserung der Seelsorge, der Predigt und zur Bekämpfung der Häresie vorschrieben. Und damit wurden die Grundlagen zur Ausweitung der Lehrtätigkeit geschaffen.
Die damaligen Kloster-, Dominikaner- und Stiftsschulen dienten in erster Linie der Ausbildung von Klerikern. Deshalb waren die schulisch vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten auf den geistlichen
Beruf zugeschnitten. Hauptlehrinhalte waren der lateinischen Lese-, Sprech- und Schreibunterricht, die religiös-sittliche Unterweisung und der Chorgesang zur liturgischen Ausbildung des Gottesdienstes.
So wurde damals gezielt das ziemlich dürftige Bildungsniveau des niederen Klerus angehoben – es
waren in der Regel schlicht Analphabeten.
Die Lateinschule als solche hatte jedoch keinen Einfluss und keine Auswirkung auf das Bildungsniveau
ihrer lokalen städtischen und ländlichen Umgebung. Niederer Adel, Bürger, und die Bauern sowieso, waren in der Regel weder des Lesens oder Schreibens mächtig.
Allerdings wissen wir, dass am 19. Februar 1357 ein Wernherus May, der zur Oberschicht Pforzheims gehörte, an der Sorbonne in Paris zu studieren begann. Also rund 100 Jahre vor Johannes Heylin, dem berühmten Lehrer von Johannes Reuchlin. Reuchlin und sein Neffe Philipp Melanchthon waren die berühmtesten Schüler der Pforzheimer Lateinschule.
Doch nochmals zurück zu den Anfängen des Schulwesens in Pforzheim.
Aus den Immatrikulationslisten der Lateinschule wissen wir, dass es bis fast Mitte des 14. Jahrhunderts
im Durchschnitt 9 neue Immatrikulanten jährlich waren. Ab 1440 verdoppelte sich die Zahl auf fast
20 neue Schüler und erreichte ab 1470 die Zahl von rund 30 neuen Schülern. Der Aufenthalt der Schüler betrug damals 8-10 Jahre. Das war jährlich ein stolzer Zulauf und lässt auf eine rege Schultätigkeit bei konstant hohem Schülerzahlniveau schließen.
Diese Entwicklung war gezielt und gewollt durch die schulpolitische Schulinitiative des seit 1431 regierenden badischen Markgrafen, Jakob I, ausgelöst worden.
Die weltliche badische Landespolitik, in Person des Markgrafen, hatte die Bedeutung der schulischen Bildung und Ausbildung erkannt.
Insbesondere waren schulisch Gebildete notwendig, um die fürstliche Landesherrschaft auszubauen.
1437 nutzte Jakob I für seine Pläne des quantitativen Ausbaus der Lateinschule aus, dass am Dominikaner Kloster umfangreiche Bau- und Restaurierungsarbeiten notwendig wurden. So konnte er die klösterliche Schulabteilung von der Ordensniederlassung abtrennen und ihr eigene neue und größere Räume zuweisen. Und diese Räume unterstanden der markgräflichen und nicht mehr der klerikalen Verwaltung. Dadurch stieg der weltliche Einfluss auf die Lateinschule enorm an. Die neue Lateinschule hat sich im Schloßareal, also am Schoßberg befunden. Und 1459 erhielt Jakob I auf sein Gesuch hin von Papst Pius II die Erlaubnis, in Pforzheim eine Universität zu gründen.
1460 wurde die Pfarrkirche St. Michael in ein Kollegialstift umgewandelt und die personell und
institutionell mit dem örtlichen Kirchenspiel verzahnte Pforzheimer Lateinschule erhielt einen regelrechten Entwicklungsschub. 24 Stiftsherren umfasste das Kollegium, davon war die Hälfte nur noch geistliche Stiftsherren. Die Stiftsherren waren durch Verwandtschafts- oder Klientelbeziehungen eng mit der Pforzheimer Oberschicht verflochten. Und so ging der Plan Jakob des I. auf, mit dem er gewünscht hatte, dass seine Landesführungselite gebildet sein soll, um effizienter regieren und verwalten zu können.
Welch guten Ruf die Lateinschule damals hatte, belegt uns Johannes Reuchlin 1494 der – wörtlich –
dem genialen Menschenschlag seiner Pforzheimer Heimat Lob zollte und von einer bedeutenden Anzahl von Gelehrten spricht, die diesem Boden entstammen.
Leider wurde es damals nichts mit der Gründung einer Universität auf Pforzheims Boden. Der risikofreudige Markgraf Karl I. erlitt bei Seckenheim im Rahmen der Mainzer Stiftsfehde eine so verheerende militärische Niederlage, dass er in Gefangenschaft geriet, enorme Reparationszahlungen
leisten musste und sogar vom Pfalzgraf die Stadt Pforzheim als Lehen nehmen musste, bis seine Kriegsschulden bezahlt waren. So war das zur Universitätsgründung notwendige Kapital weg und
der Pfalzgraf, als vorübergehender Lehnsherr Pforzheims, hatte überhaupt kein Interesse daran zu
seiner Universität Heidelberg (gegr. 1386) eine Konkurrenzuniversität in Pforzheim zuzulassen.
So waren Pforzheims Träume von einer Uni bis zu Gründung der Fachhochschulen für Gestaltung
und für Wirtschaft ausgeträumt. Die beiden 1971 gegründeten Fachhochschulen fusionierten 1992
zur Hochschule für Gestaltung, Technik und Wirtschaft.
Bis die allgemeine Schulepflicht jedoch für jedermann eingeführt wurde, dauerte es bis ins 19.
Jahrhundert.
Wobei ich Sie jetzt, ebenfalls 500 Jahre Schulgeschichte in Pforzheim überspringend, von den
schulischen Anfängen, in unsere schulische Gegenwart mitnehme.
Heute haben wir in Pforzheim rund 22.000 Schülerinnen und Schüler an allen unseren Schulen.
Dazu über 4.000 Studenten an der Hochschule.
Der Bildung wird in unserer Stadt ein hoher Stellenwert zugewiesen. Bildung ist unser bestes Kapital – besonders im globalen Wettbewerb um die besten Ideen in Wissenschaft, Industrie, Technologie und Forschung.
Bildung nützt allen und jedem Einzelnen – und bei uns in Pforzheim hilft sie bei der Integration der Menschen mit Migrationshintergrund. Und das sind in Pforzheim inzwischen weit mehr als 30 Prozent.
Allein deshalb schon ist es notwendig und nötig, dass Bildung früh einsetzt und lang geht. Vom Kleinkinderalter, bis zum Übergang in den Beruf.
Lernen bedeutet heute auch, dass schulische und außerschulische Bildung aufeinander abgestimmt
werden und miteinander verzahnt werden.
Unter dieser Erkenntnis und Prämisse wurde vor 2 Jahren in Pforzheim ein runder Tisch gegründet,
um eine lokale Bildungslandschaft zu forcieren. An diesem runden Tisch sitzen, neben den Vertretern der Schulbehörden und der Kommune, u.a. auch IHK, Handwerkskammer und die sozialen Träger.
Insgesamt sind rund 70 Institutionen und Vereinigungen Partner der lokalen Bildungslandschaft.
Das Land Baden-Württemberg hat diese Entwicklung in Pforzheim sehr aufmerksam beobachtet – denn diese Initiative entspricht dem Landeswillen und -Wollen. Und das Land fördert diese Entwicklung. Die lokale Bildungslandschaft wird im Herbst 2009 Thema im Gemeinderat werden und ist Thema unseres Singer und Vorstandsmitglied und Schulbürgermeisters Gert Hager, der diesen Aufbau der lokalen Bildungslandschaft federführend betrieben hat. Und den er als Oberbürgermeister weiter betreiben wird.
Claus Kuge
(Es gilt das gesprochene Wort)
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