Hauptsache Kultur
Vortrag anlässlich der Jahreshauptversammlung der LÖBLICHEN SINGERGESELLSCHAFT VON 1501 PFORZHEIM am 6. Januar 2008Dr. Isabel Greschat, Kulturreferentin der Stadt Pforzheim Rede im vollen Wortlaut: Es gilt das gesprochene Wort! Kann man aus der Geschichte lernen? Diese Frage ist immer wieder gestellt und unterschiedlich beantwortet worden. Als Singer, als die Sie ja per se geschichtsinteressiert sind, werden Sie mir Maecenas ist ein Mann aus vornehmem Haus, politisch tüchtig und geschickt – jedenfalls bringt er es Solche willkommenen Nebeneffekte haben aber sicher dazu beigetragen, dass die Idee des Mäzenatentums ihre Kreise zog, also die Förderung von Kultur ohne Vereinbarung einer direkten Gegenleistung. Das Paradebeispiel der Geschichte ist – Lorenzo de Medici, genannt Il Magnifico: Doch Lorenzo war nicht einfach nur ein geschickter Politiker, sondern auch ein umfassend humanistisch Gebildeter, und vor allem der vielleicht größte und berühmteste private Kulturförderer Europas. Lorenzo de Medici ist der Mäzen in der Geschichte unseres Kulturkreises. Das heißt aber keineswegs, Die Künste wurden in seiner Regentschaft auch zum Mittel der Repräsentation, zum für alle sichtbaren Inbegriff von Bildung und Macht. Gerade für einen Granden wie Lorenzo de Medici, der seine nur auf Einfluss und Reichtum beruhende Macht immer wieder legitimieren musste, um glaubwürdig zu bleiben , spielte die Selbstdarstellung, heute würde man sagen: das Eigen-Marketing, die entscheidende Rolle. Und wenn Karl V. sich geehrt fühlte, Tizians herunter gefallenen Pinsel wieder aufzuheben, und der Sonnenkönig Louis XIV den Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften und der Schöne Künste Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Warum erzählt sie uns das eigentlich alles? Was hat das mit uns und mit heute zu tun? Ich denke, einiges. Natürlich, ein Faden ist abgerissen: An die Stelle von Fürsten, Päpsten oder Königen Auch heute noch und in bestimmter Hinsicht gerade heute wieder gibt es daneben natürlich auch Kultur wirbt in unseren Tagen statt für das Prinzipat für neuzeitliche Ideale, meistens indirekt. Damit sind wir bei einem weiteren, entscheidenden Punkt: Kultur wirbt vor allem für ein Land, eine „Kultur hat es schwer“, schrieb vor wenigen Tagen eine hiesige Zeitung. Kultur ist eben keine Die Pflichtaufgaben sind allerdings Aufträge, die vorgabengetreu abzuarbeiten sind. Damit werden die freiwilligen Aufgaben zum eigentlichen Herzstücke der Kommunalpolitik. Immer wieder schwingt sie mit, diese Frage: Brauchen wir eigentlich kommunale Kulturförderung? Von der Konkurrenz der Städte war schon die Rede. Demografische Entwicklung und Facharbeiter- In einer Studie der Firma arthesia, die weltweit Städte, Regionen und Organisationen in Kommunikations- und Marketingfragen berät, heißt es: „In einer globalisierten Welt mit einem freien Fluss von Kapital, Menschen und Ideen sind Städte und Regionen zu eigentlichen Produkten geworden; zu Symbolen und Lebensstilen; zu Marken und verkaufbaren Images.“ Als Erfolgsfelder, in denen Standortentwicklung hauptsächlich stattfindet, werden definiert: 1. Technologie 2. Wissen 3. Wirtschaft 4. Kultur – als Träger von Identität, Ideen, Freude, Inspiration und Tradition, aber auch Diskurs, Damit ist Kultur als eine von vier Stützen für die Entwicklung und Vermarktung – beides muss Ich habe vorhin von „guter Kulturförderung“ gesprochen. Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte kommunale Kulturförderung eher defensive Züge. Für Ausstellungen konnte sich jeder bewerben und wurde jeder gleichwertig „bedient“, für Not leidende Künstler gab es extra Ankaufsgelder (Künstlersozialkasse), und die Arbeit der Behörde bestand zu nicht unmaßgeblichen Teilen darin, Zuschussanträge zu bearbeiten. Eine solche Kulturförderung wäre heute vielleicht tatsächlich überflüssig. Wir brauchen eine Kulturpolitik, die gestaltet. Wir brauchen, wie Lorenzo de Medici, Ziele, Entscheidungen, Konsequenz und Qualität. Gute, sinnvolle Kulturförderung ist entschieden und offensiv. Wir sind hier in Pforzheim auf dem Weg. In seiner letzten Sitzung des Jahres 2007 hat der Gemeinderat entschieden, dass ein Kulturkonzept entwickelt werden und die Firma ICG Culturplan mit der Moderation und Begleitung des Prozesses beauftragt werden soll. Ziel ist es, Schwerpunkte für die Kulturförderung in dieser Stadt zu definieren, die für die nächsten 10-15 Jahre richtungweisend sein sollen. Auf diese Weise wird Kulturarbeit nachhaltig. Um am Ende ein tragfähiges Konzept in Händen zu halten, ein Konzept, das von einer großen Mehrheit der Kulturschaffenden und –interessierten auch mitgetragen werden kann, brauchen wir die offene Diskussion. Sie alle sind eingeladen, Ihre Ideen einzubringen. Wir wollen zügig vorankommen, im Sommer sollen die Ergebnisse dem Gemeinderat vorgestellt werden. Stimmt dieser dann zu, so werden wir einen riesigen Schritt vorangekommen sein. Wenn Sie ein sehr skeptischer Mensch sind, dann sagen Sie jetzt vielleicht: Das ist ja alles schön und gut, aber letzten Endes geht es doch immer nur ums Geld und um die Frage, ob für Kultur mehr Geld bewilligt wird oder nicht. Richtig ist: Ohne Geld nützen die besten Ideen nichts, denn Qualität ist Bedingung, und Qualität hat ihren Preis. Aber umgekehrt wird eben auch ein Schuh draus: Ohne Konzept, ohne Richtung, ohne Kontinuität ist Der Kulturentwicklungsplan ist nicht nur ein notwendiger Klärungsprozess, der – so hoffen wir – kulturpolitischen Konsens herzustellen vermag. Er hilft uns vor allem auch, die Gestaltung der Kulturlandschaft in einen größeren Zusammenhang zu stellen: Kulturentwicklung ist Wirtschaftsförderung. Kulturentwicklung ist ein Teil der Stadtentwicklung. Wenn wir dies verstehen und vermitteln können, dann werden wir auch Verbündete – und damit Gelder – finden. Und zwar nicht nur in der Stadtverwaltung und im Gemeinderat, sondern auch in der Wirtschaft. Denn wir haben schließlich ein gemeinsames Ziel: Pforzheim als Stadt und Standort zu stärken. Das kann nicht Sache allein der Stadt sein, und es nicht Sache allein der Wirtschaft. Schließlich möchte ich Ihnen ein paar Leitlinien skizzieren, die in ein Gesamtkonzept einfließen könnten. Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass wir auf der einen Seite Spitzenangebote brauchen, echte überregionale Highlights, die Pforzheim über Süddeutschland hinaus ins Gespräch bringen. Nicht nur, um Pforzheim zu positionieren, sondern auch um das hiesige Publikum zu gewinnen. Ich kenne keine zweite Stadt, in der die eigenen Bürger so schlecht über ihre Stadt sprechen. Die Erfahrung zeigt: Wenn Menschen von außerhalb herkommen und Gutes über die Stadt reden, wenn die Außenwirkung der Stadt positiv ist, dann wird der Stolz auch der heimischen Bevölkerung geweckt. Zum anderen müssen wir das fördern, was mit „Flair“, Kreativität, Dynamik beschrieben werden kann: subkulturelle Initiativen, selbständige Kreative usw. – das wird der Stadt ein jüngeres Image geben und steht für Lebensqualität. Unser wichtigstes überregionales Thema ist natürlich der Schmuck. Schmuck ist engstens mit der Geschichte dieser Stadt verbunden, und wir haben hier drei einzigartige Häuser, die Schmuck zeigen und vermitteln: das Schmuckmuseum, das Technische Museum und die Schmuckwelten. Wer wollte bestreiten, dass dies ein Alleinstellungsmerkmal erster Güte ist? Schmuck wird, da bin ich sicher, auch weiterhin eine zentrale Rolle in unserer Kulturlandschaft spielen. Allerdings brauchen wir hier in regelmäßigen Abständen Highlight-Ausstellungen mit besonderer Ausstrahlung. Das Schmuck-Thema ist allerdings sehr speziell und spricht dementsprechend ein vergleichsweise kleines Publikum an. Wir sollten das Thema weiter fassen und in den Designbereich hinein erweitern. Ich sage das auch deshalb, weil wir in dieser Stadt eine international herausragende Hochschule für Gestaltung haben. Viele Städte schmücken sich stolz mit dem Titel „Hochschulstadt“, aber nur für wenige ist diese Bezeichnung so treffend wie für Pforzheim, weil nur wenige Städte durch ihre Historie so eng mit ihrer Hochschule verbunden sind. Eigentlich. Von studentischem Flair ist allerdings in Pforzheim noch wenig zu spüren. Hieran müssen wir arbeiten. Ich denke, der Ansatz, kreatives Potenzial zu unterstützen, ist richtig und wichtig. Junge Designer, die von der Hochschule kommen. Hier Cluster zu bilden, Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten zu schaffen, das hieße, der kreativen Dynamik ein Zuhause in Pforzheim zu geben. Profitieren würden davon die Kreativen selbst, die Bürger und Gäste der Stadt und deren Image. Ein passendes Gebäude dafür könnte möglicherweise das Kollmar + Jourdan-Haus sein. Ein solches Projekt wäre übrigens ein Paradebeispiel für das Miteinander von Kultur- und Wirtschaftförderung, Kultur- und Stadtentwicklung. Zwei Leuchttürme weisen uns die Richtung: Der eine heißt Ornamenta, und der andere ein Designzentrum, eventuell im Kollmar+Jourdan-Gebäude. Wir haben aber noch ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: Das ist die Architektur. „Pforzheim wurde 1945 total zerstört“, höre ich immer wieder, und oft als Erklärung dafür, dass diese Stadt fortan das Schicksal habe, hässlich zu sein. Nein, meine Herren, so einfach kann es nicht sein. Viel deutsche Städte wurden im Krieg weitgehend zerstört, Dresden und Münster, Stuttgart und, und, und… Entscheidend ist doch, was in den letzten 50 Jahren daraus gemacht worden ist. In Münster beispielsweise war man konservativ, hier wurde die Stadt, wenn auch schlichter als zuvor, aber im großen Ganzen so wieder aufgebaut, wie sie früher war. In Pforzheim wollte man dagegen modern sein, den Neuaufbau den Erfordernissen der modernen Stadt anpassen, neue Formen und Materialien kamen zum Einsatz. Das Ergebnis ist eine Stadt der 50er/ 60er Jahre-Architektur. Natürlich ist nicht alles hervorragend, aber es sind doch einige Gebäude bedeutend zu nennen: Das Reuchlinhaus, der Hauptbahnhof, die Matthäuskirche von Eiermann… Außerdem eine Reihe weiterer weniger spektakulärer, aber qualitätvoller Bauten, die allerdings aufgearbeitet und von überdimensionierten Werbeschildern befreit werden müssten. Wir kommen an dem Thema Architektur im übrigen nicht vorbei, denn Architektur bestimmt nun einmal entscheidend das Gesicht jeder und auch unserer Stadt. Aber wir haben gute Karten, denn wir haben ein besonderes Potenzial, aus dem wir ein ganz eigenes Thema machen können: Pforzheim als Beispiel moderner Nachkriegsarchitektur. Schmuck – Design – Architektur: Diese Trias kann den Weg in die Zukunft weisen. Wir brauchen Kultur und deshalb auch kommunale Kulturförderung. Nicht nur, weil Kultur mit Identität, Fantasie, Lebenssinn, kritischem und kreativem Denken und gemeinschaftlichen Werten zu tun hat, und Genau das aber brauchen wir für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt. Kultur kann deshalb keine Nebensache sein. Auch nicht die schönste Nebensache der Welt. Copyright: |