Die Pforzheimer “Goldschmiederevolution” 1839
Vortrag
Günter Beck
anlässlich der Matinee am 26.09.2010

Im Stadtmuseum Pforzheim ist die „Goldschmiederevolution“ als Station eines stadthistorischen
Rundgangs in der ehemaligen Brötzinger Kirche St. Martin dargestellt und zwar in einem
nachgebauten sogenannten „Kaiserpanorama“ in dem die Ereignisse in stereoskopischen Bildern
am Betrachter vorbeiziehen. Nach Malereien des Künstlers Heinz Treiber entstand diese Bildserie,
die von mir durch Computerbearbeitung zu 24 Stereodias umgearbeitet wurde.

In diesem Zusammenhang habe ich zusätzlich versucht, zeitgenössische Berichte zu recherchieren.
Im Stadtarchiv gibt es, außer in späteren Veröffentlichungen zur Stadtgeschichte, keine Dokumente
zum Vorgang. Von der damaligen Pforzheimer Zeitung „Der Beobachter“ sind die Jahrgänge 1839/40
dort nicht vorhanden. Im Taschenbuch von Rainer Wirtz von 1981: „Widersetzlichkeiten, Exzesse,
Crawalle, Tumulte und Skandale – Soziale Bewegung und gewalthafter Protest in Baden 1815-1848“
findet sich jedoch die mit 10 Seiten ausführlichste Beschreibung und Wertung der „Goldschmiede-
revolution“. In den Quellennachweisen sind die Akten im Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA)
und anderswo vermerkt. Die staatlichen Akten sind in einem Aktenbündel im GLA offenbar
vollständig erhalten, und ich kann also daraus zitieren.

Zunächst aber ein Rückgriff auf den 1. Pforzheimer Goldarbeiterstreik im Jahr 1804, also 35 Jahre
vor der sogenannten „Goldschmiederevolution“ 1839. Damals hatten die Goldarbeiter die Arbeit
niedergelegt, weil sie sich in Ihrem Ansehen gekränkt fühlten und sich die Behandlung durch die
Obrigkeit nicht gefallen lassen wollten. Der badische Oberamtmann in Pforzheim – der Repräsentant
der großherzoglichen Regierung in Karlsruhe – hatte eine Verordnung aus den Anfängen der
Pforzheimer Schmuck- und Uhrenindustrie wiederbelebt, die zu ihrer Zeit noch eine gewisse
Berechtigung gehabt haben mochte, als die Arbeiter noch überwiegend aus dem Ausland
gekommen waren – aus Frankreich, England, der Schweiz. Die Verordnung besagte, dass Arbeiter,
die unter Hinterlassung von Schulden ins Ausland abwanderten, wie gemeine Diebe behandelt
werden sollten. Wenn man ihrer nicht habhaft werde, sollten ihre Namen am Galgen angeschlagen
werden. Anlass war, dass 1804 Arbeiter nach Schwäb. Gmünd verzogen waren, ohne hier in
Pforzheim ihre Schulden zu begleichen.

Die Nachkommen der ehemaligen Gastarbeiter aus der Anfangszeit der hiesigen Schmuckfertigung
waren aber nun schon meist in der 2. oder 3. Generation „Inländer“ und bemühten sich teils noch um
das Pforzheimer Bürgerrecht. Ihre Kommission beschloss, die Arbeit so lange niederzulegen bis die Verordnung zurück genommen würde. Erst war bei den Behörden von „Verschwörung“ die Rede.
Auf Weisung aus Karlsruhe wurde die Anordnung aber dann zurückgenommen.

Bevor ich nun von der „Goldschmiederevolution“ 1839 berichte, nehme ich einige spätere
Kommentare in der stadtgeschichtlichen Literatur vorweg, wo die „Goldschmiederevolution“
überwiegend etwas spöttisch behandelt wird. Ich denke aber, dass das Attribut „Revolution“ –
zwar ironisch gemeint – aber nicht ganz unbegründet – auf die im Vormärz wachsenden und
wechselnden Forderungen des Volkes nach mehr Demokratie und bürgerlichen Freiheiten anspielte.
In der in Deutschland damals fortschrittlichsten Verfassung, der badischen von 1818, war viel
versprochen, aber nur teilweise verwirklicht oder – auf überwiegend preußischen und österreichischen
Druck – wieder zurückgenommenen worden. In der badischen Revolution vom März 1848 und
Juli 1849 explodierten dann die Ansprüche auf wirkliche Pressefreiheit, Einigung Deutschlands, Einschränkung der Adelsvorrechte, allgemeines Wahlrecht usw.

Als Vormärz wird die Epoche vom Wiener Kongress 1814/15, mit der Neuordnung Europas nach
der napoleonischen Herrschaft, bis zur Märzrevolution 1848 in Staaten (besonders in Baden) und
einigen Fürstentümern des Deutschen Bundes umrissen: Die Zeit des Biedermeier, die Zeit der
Restauration feudaler Verhältnisse, des Rückzugs in die Innerlichkeit, der Spätromantik, aber auch
der wachsenden Bewegung zu Liberalismus, Demokratie und Nationalstaat.

Der Begriff „Biedermeier“ wurde viel später geprägt, von Ludwig Eichrodt (geb. in Durlach),
der zusammen mit seinem Freund Kußmaul in den „Fliegenden Blättern“ ab 1855 Gedichte des
badischen Volksschullehrers Sautter parodierte und vorgab, sie stammten vom schwäbischen
Schulmeister Weiland Gottlieb Biedermeier. Ludwig Eichrodt war der Sohn von Ludwig
Friedrich Eichrodt, der in unserer Geschichte eine Rolle spielt, denn er war als Commissär des
Karlsruher Innenministeriums während der „Goldschmiederevolution“ vor Ort, um die behördlichen
Maßnahmen zu leiten.

Nun also zu den späteren Beschreibungen der Vorkommnisse: Die ausführlichste ältere, relativ
neutrale Beschreibung, ist die von Aloys Stolz: in „Geschichte der Stadt Pforzheim“ von 1901.
In einer Dissertation von Emil Göler „Die wirtschaftliche Organisation der Pforzheimer Bijouterie-
industrie“ , vermerkt dieser : „ es kam sogar zum Streik und zu der harmlosen, der humoristischen
Färbung nicht entbehrenden „Goldschmiederevolution“
.

Renate Schostak / Bärbel Rudin erwähnen in ihrem Büchlein „Die Rassler“ den Vorfall und
resümieren: “… ein paar aus Karlsruhe herbeizitierte Dragoner stellten rasch die Ordnung
wieder her“
.

Dr. Hans Peter Becht, Leiter des Stadtarchivs Pforzheim – Institut für Stadtgeschichte kommentiert
in seinem Bildband „Pforzheim so wie es war“ von 1987 – nicht ganz zu Unrecht: „Dieser nächtliche
Tumult war der Gipfel und fast auch schon das Ende der Pforzheimer Goldschmiederevolution“
.

Bei Wolfgang Pieper in seiner „Geschichte der Pforzheimer Schmuckindustrie“ 1989,
„…sorgten ein paar Dragoner…wieder für Ruhe und Ordnung.“

Zuletzt noch Dr. Christian Groh , stellvertretender Leiter des Stadtarchivs. Er schließt in seinem Buch
„Die Goldstadt Pforzheim” den Abschnitt „Goldarbeiter proben den Aufstand“ so:
„…den Pforzheimern blieb er in Erinnerung, denn noch 1906 nahmen Arbeiter auf ihn Bezug,
um ihre Forderungen zu unterstreichen. Auf der anderen Seite waren Menschen derart
traumatisiert von den Krawallen, dass sich das Wort von der ‚Goldschmiederevolution’ im
Volksmund ausbreitete – zweifelsohne eine maßlose Übertreibung.“

Nach meinem Eindruck sind die eher humorigen Kommentare beeinflusst von den Lebenserinnerungen
des Augenzeugen und Betroffenen Moritz Müller, die er 1893, also 54 Jahre nach den Geschehnissen,
witzig beschreibt. In der Erinnerung werden ja an sich unangenehme Erlebnisse gern in ein heiteres
Gewand gekleidet. Müllers Erinnerung trügt ihn in Details auch.

Um was ging es eigentlich ?

Am Mittwoch, 1. Mai 1839, wollten die führenden Bijoutiers ein „Regulativ“ – eine neue
Arbeitszeitregelung – in den Fabriken vorlesen und aushängen.

Bis dahin war der Arbeitstag 11 Stunden plus 1 Std. Mittagspause, am Samstag 10 Stunden.
Jedoch sollte in den Wintermonaten November, Dezember, Januar, Februar nicht zu lange bei Licht
gearbeitet werden. Deshalb war in diesen Monaten der Arbeitstag kürzer und es wurde am
Wochenlohn ein Tag abgezogen: der „Lichtabzug“. Wurde trotzdem – „in der Weil“ (eine Weile) –
länger gearbeitet, wurde nach Stück bezahlt. Das Regulativ schaffte nun die zunehmende „Weilarbeit“
ab. Statt dessen sollte ganzjährig 11 Stunden am Tag gearbeitet und bezahlt werden, außer samstags,
wo die Arbeitszeit 10 ½ Stunden war.

Hans Georg Zier schreibt dazu: „Die Schwierigkeit jeder Arbeitszeitfestsetzung bestand darin,
dass je nach Jahreszeit für künstliche Beleuchtung gesorgt werden musste, diese aber…nur
aus relativ teuren, aber nicht viel Licht spendenden Öllampen geliefert werden konnte.“

(Es war noch kein Erdöl, sondern stinkendes Rapsöl, mit dem auch gelötet wurde).

Der erste Passus des „Regulativ lautete:
„Um die Regelmäßigkeit in den Fabrikeinrichtungen zu befestigen und die Gleichförmigkeit
in denselben herzustellen, zugleich aber auch verschiedenen alten, der jetzigen Zeit keineswegs
mehr anpassenden Missbräuchen zu begegnen, werden nach reiflicher Überlegung folgende,
auf gegenseitige Billigkeit und Recht gegründete Bestimmungen eingeführt und festgesetzt:
u .a. : „Die Arbeitszeit ist und bleibt auf 11 Stunden an jedem Werktag bestimmt, mit Ausnahme
des Samstags, an welchem eine halbe Stunde früher aufgehört wird.“

In einem weiteren Paragraphen ist die Arbeitszeit sommers und winters differenziert beschrieben.
Im Grunde wurde nur die Arbeitszeit von Mai bis September von morgens 6.00 Uhr bis abends
6.00 Uhr festgeschrieben. Von Oktober bis März war es dann doch den Fabrikanten überlassen,
ob sie mit Lichtabzug oder mit festem Arbeitszeitbeginn hantieren wollten, wobei sich der Arbeits-
schluss auch dann am Tageslicht orientierte.

Die Arbeiter hatten vom Regulativ schon am Vorabend Wind bekommen. Ihnen war offenbar die
Abschaffung der Überstunden und Bezahlung nach Stück nicht recht, außerdem lief das Regulativ
auf eine Verlängerung der Arbeitszeit am Samstag um eine halbe Stunde hinauslief. Ansonsten war
die Regelung wohl gar nicht so schlecht. Sie sicherte ja eine einigermaßen feste Arbeitszeit ohne
einen Tag Lichtabzug pro Woche im Winter

An diesem Abend (9 Uhr), Dienstag 30. April, vor der Bekanntmachung des Regulativs, rotten
sich Arbeiter aus Protest „lärmend“ zusammen. Nachmittags waren sie zuerst angeblich in Trupps
in die Wirtschaften nach Weißenstein gewandert. Von dort zieht man vor das Haus des größten
Schmuckfabrikanten Benckiser, der als einziger von 19 genannten Fabrikanten nicht unterschrieben
hatte, und man bringt Hochrufe auf ihn aus.

Johann Adam Benckiser , der „Altstadt-Benckiser“, war der gleichnamige Enkel des Gründers
der Benckiser’schen Eisengießerei. Dieser , also der Senior – ursprünglich gelernter Metzger
aus Herrenalb – war durch Holzhandel reich geworden und hatte den markgräflichen Eisenhammer
gekauft, zuvor eine Zeitlang, erfolgreich, die Durlacher Fayence-Manufaktur betrieben.
Joh. Adam Benckiser jun. hatte erst die Eisengießerei ca. zwei Jahre geführt, sich dann aber als
Bijoutier selbstständig gemacht. Sein Anwesen in der „Sophienvorstadt“, im sogen. „Pfläster“,
mit Haus , Firma und Garten reichte von der heutigen Östlichen , etwa Höhe Parkstraße, bis zum Altstädter Kirchweg . 1839 hatte er den größten Schmuckbetrieb. Benckiser kaufte später noch
in der Bleichstraße die dortige „Salmiakhütte“ und baute sie zu einer chemischen Produktion aus – Ursprung des noch heute bestehenden chemischen Konzerns Reckitt Benckiser mit Stammsitz in Ludwigshafen.

Die „Demo“ zieht also von der heutigen Östlichen zum Marktplatz durch die Brötzinger Gass

zur Leopoldvorstadt, dem „Millionenviertel“, wo die Wohnhäuser mit Fabrikräumen weiterer
führender Fabrikanten waren, also grob gesagt zwischen heutiger Goethestraße und Leopoldplatz.
Die Menge war „150 bis 200 Köpfe stark“

Es werden von den Tumultuanten – bewaffnet mit Steinen und Äxten – an den Häusern von
sieben Fabrikanten die Scheiben eingeworfen, die Fensterläden beschädigt, u.a. bei
Fink (Lammstr.), Dennig, Gschwindt,


Bild oben: Georg Kiehnles Wohn- und Geschäftshaus, Westliche 54

„Am Dennig’schen Haus…. soll einer (der Steine) durch das Fenster in die zum Glück leere Kinder-
wiege geschleudert worden sein. Wenn (in den Jahren) später ein Arbeiter bei Fabrikant Dennig
(Bijouteriefabrikant, Holzhändler, Stadtrat) Vorschuß verlangte, dann zeigte er ihm stillschweigend
den Pflasterstein, welchen er als traurige Erinnerung an die ‘Goldschmiedsrevolution’ viele Jahre
aufbewahrte“.

Dabei war es wohl so, dass man nicht am Haus des eigenen Prinzipals demolierte, sondern z. B.
bei früheren Arbeitgebern, von denen man sich ungerecht behandelt gefühlt hatte. Auch Leute,
welche die Sache gar nichts anging, beteiligten sich. Moritz Müller erwähnt einen „auswärtigen
Teppichhändler, der wahrscheinlich schlechte Geschäfte gemacht hatte. Der riesige Kerl warf
große Steine nach einigen Fabrikhäusern“.



Ein Gendarm stellt sich der Menge entgegen, fordert zum Auseinandergehen auf und feuert zwei
Warnschüsse über die Köpfe ab. Er wird verprügelt und sein Gewehr wird zerbrochen.

Oberamtmann, Geheimrath Deimling lässt die Sturmglocke läuten. Nachts 11 Uhr meldet er per
Staffette nach Karlsruhe:

„Seiner Hochwohlgebohren den Herrn Staatsrath Nebenius Präsidenten des…Ministeriums
des Inneren“ „muss ich ihnen höchst bedenklichen Vorfall melden“
. Es folgt die Beschreibung
des Tumults, dann: „Ich bin selbst mit Gendarmen, Bürgermeister, Bürger Cavallerie,
anderen Bürgern nebst Assessor von Wirthschaft zu Wirthschaft, von Straße zu Straße
gegangen“

Da gehen zwei Deimlinge, der Oberamtmann Karl Friedrich Deimling und der Bürgermeister
Rudolf Deimling (Bürgermeister 1837-1848 ).



Das schicke Bürger-Cavallerie-Korps mit 40 Mann war zwei Jahre zuvor, 1837, wieder gegründet
worden. 1843 wurde es schon wieder aufgelöst, weil es sich geweigert hatte, zum Geburtstag
des Großherzogs Leopold auszurücken (1838 bestand auch eine Flößer-Bürgerwehr).

Es erfolgen Festnahmen, Gendarmen patroullieren in der Nacht, in der einigermaßen Ruhe
einkehrt. Oberamtmann Deimling traut ihr jedoch nicht und fordert in seiner Depesche von Karlsruhe
Militär an. Wortlaut u.a.: „…dass nicht die Aufrührer ihre schon im Gefängnis befindlichen
Genossen… befreiten. Darum mein gehorsamster Antrag, einverständlich mit den Gemeinde-
räthen und anderen Bürgern, dass Morgen in aller Frühe 2 Eskadron Cavallerie hierher beordert
werden möchten und auch….Infanterie nachgeschickt werde“
.

Am nächsten Morgen – dem Mittwoch 1. Mai – reitet Kavallerie vom Regiment „Großherzog“
unter Generalmajor Constantin von Roggenbach ein.

Die Goldarbeiter erscheinen an diesem 1. Mai nicht zur Arbeit, außer bei Benckiser, wo gearbeitet
wird. Auf dem Lindenplatz versammeln sich etwa 500 Leute.

Geheimer Referendär Eichrodt – Abgesandter des Innenministeriums – (5 Jahre später kurz vor
seinem Tod, 47-jährig, ist er noch selbst Innenminister geworden) schreibt am Tag darauf (2. Mai)
morgens: „Geheimrath Deimling, Major von Renz (Leiter der badischen Gendarmerie), der
Bürgermeister und ich unter Begleitung von Gendarmen …(Wir ) forderten dieselben
(Versammelten) …zum augenblicklichen Auseinandergehen zur Arbeit …auf“
.
Die Menge zerstreut sich, aber die meisten gehen nicht zur Arbeit. Es finden weitere
Verhaftungen statt. Eichrodt ist für Abzug eines Teils der Kavallerie „doch die Commandeure
von Militär und Gendarmerie sowie die beteiligten Fabrikanten sind fürs Hierbleiben“.
Weil die „… Fortschaffung von mindestens 60 bis 80 Ausländern nicht ohne großes Aufsehen
und mögliche Widersetzlichkeiten geschehen würde…“ empfiehlt er, „…das es Euer
Wohlgebohren (Nebenius) gefällig sein möge, die Absendung von wenigstens 150 Mann
Infanterie zu veranlassen, dass dieselbe Morgen zwischen
8 und 9 Uhr hier eintrifft.“ „Ich hoffe auf die Fabrikanten zur Nachgiebigkeit zu bewegen…
Wenn die Arbeiter zur Arbeit zurückgekehrt sein werden…dürfte die Zeit sein, etwas zu ihren
Gunsten zu thun…“

„Nachmittags 2 Uhr
…Ein großer Theil der Arbeiter versammelt sich vor 1 Uhr (nachmittags) auf dem Marktplatz mit
den weiblichen Arbeiterinnen und zufälligen Zuschauern…“ Sie werden „…aufgefordert den Platz zu
räumen“ und er schätzt „…dass sich 2/3 der Arbeiter der Ordnung gefügt haben.“
Später erhält er Anzeige, dass abends in Stuttgart und Karlsruhe „auf Bestellung der hießigen
Tumultuanten“ zahlreiche Zusammenkünfte von Bijouterie Arbeitern stattfinden würden, was er aber
für unwahrscheinlich hält. Durch seinen Lohnkutscher erfährt er dann, „dass aus Stuttgart ungefähr
20 junge Leute in die Richtung nach hier“ unterwegs sind, die aber nichts in den Händen halten.

„4. Mai … heute morgen um 6 Uhr begeben sich fast alle Arbeiter in ihre Fabriken…um 7 ½ Uhr
rückt Infanterie Detaschement hier ein…“, also nach Nachtmarsch.



Darüber haben sich wohl am meisten die Schulkinder gefreut, da die Soldaten ins Schulhaus
einquartiert wurden und es schulfrei gab, bis das Militär nach einer Woche wieder abzog und
die Räume in Ordnung gebracht werden mussten.

Jetzt (an diesem Samstag) treten Flößer auf den Plan. Die Sache ging sie ja eigentlich nichts an.
Aber Eduard Miller, später, als Schmuckfabrikant „Boraxmiller“ genannt, soll die von der Neckarfahrt
heimkehrenden Flößer im „Ochsen“ betrunken gemacht und aufgewiegelt haben: „Die Kavallerie würde
ihre Kollegen ermorden“. So die Karlsruher Zeitung.

Eichrodt hält fest: nachts 12 ¾ Uhr: „..Ereignis ½ 9 Uhr abends…15 hießige Flößer, meist betruncken,
mit Stangen und Äxten… kommen…von Eutingen in die Stadt zurück…

…in der schmalen Gasse vom Marktplatz“ grölen sie: „Heraus ihr Bijoutiers , heute muss es Blut
geben, heut muss Pforzheim brennen“.
Es kommt zu einer Auseinandersetzung mit einer Cavallerie-Patrouille, die von ihren Säbeln Gebrauch
macht. „Drei (der Flößer) wurden, obwohl nicht gefährlich, verwundet und nach langem Kampf von…
der Gendarmerie und Infanterie-Wache verhaftet.“ (wie die Karlsruher Zeitung später etwas
aufgebauscht schrieb). Die Flößerzunft versammelt sich danach mit etwa 100 Mann, entschuldigt sich
und erreicht dass ihre verhafteten Kollegen teils freigelassen oder mindestens in ein bürgerliches
Gefängnis verlegt werden.
Die Jahrgänge des damaligen Pforzheimer Lokalblatts „Der Beobachter“ sind in den Universitäts-
Bibliotheken Freiburg und Heidelberg erhalten.

Jedoch nur zwei Stellen im „Beobachter“ weisen indirekt auf die Vorkommnisse hin: in der Ausgabe
vom 4. Mai, wo die für das kommende Wochenende anstehende Kirchweih bis auf weiteres
verschoben wird (Commissär Eichrodt hatte dies veranlasst) und vom 8. Mai, wo die Sperrstunde
wieder auf normal 11 Uhr nachts angehoben wird, zuvor war sie auf 9 Uhr beschränkt worden.
Ob der „Beobachter“ hier der Zensur des Oberamtmanns unterlag ist nicht wahrscheinlich.
In seinen Schriftstücken findet sich darauf kein Hinweis darauf. Das schmale Blättchen hatte keine
eigene Redaktion, Meldungen waren meist woanders abgeschrieben, Inserate und amtliche Meldungen
waren die Hauptsache.

Ganz anders, wie wir schon gehört haben, der Pforzheimer Korrespondent in der halboffiziellen
„Karlsruher Zeitung“, wo am Samstag den 4. Mai und am 7. Mai ausführlich aus Pforzheim berichtet
wird. Daraus hier noch einige stichwortartige Auszüge von Details, die bisher nicht erwähnt wurden:
In der Ausgabe „Pforzheim 7. Mai“: heißt es: „Endlich gelang es den hiesigen Behörden, nach
vergeblichen Anstrengungen der wenigen, zum Theil schwer verletzten Gendarmen, mit Hülfe
der Bürgerschaft weitern Exzessen Einhalt zu thun…
und weiter …wurde beschlossen die Anhersendung von 150 Mann Infanterie… und sofort die
Kavallerie zu entlassen…nach 48 stündigem Dienst… und weil Gefahr weiterer Exzesse …
es räthlich machte….vorderhand die weitere Hülfe der Kavallerie in Anspruch zu nehmen“
.

Dienstag 7. Mai, also nach 1 Woche: Major von Renz , „nachts ½ 12 Uhr“:
Es „…verhält sich alles ruhig“ „eingeleitete Untersuchungen gehen fort“. „Die hießigen Fabrikanten
haben sich beinahe durchgängig mit ihren Arbeitern verglichen…glaube spätestens bis übermorgen
den Rest des Miltärs zurückziehen zu können. Sowie ich bis dann die Gendarmerie um einige Mann
verstärkt habe, werde ich denselben nachfolgen“ .

Jedoch ebenfalls 7. Mai Meldung an Nebenius: „Militär zurück zu befehlen mit Ausnahme
Oberleutnant von Beust /6 Ufz/ 1 Tambour/ 40 Soldaten.

Und der Korrespondent der Karlsruher Zeitung schreibt :
„Dagegen ist Gendarmerie mit einigen Brigaden….in unserer Mitte geblieben“

Am 8. Mai nachts ½ 12 Uhr meldet Major Renz, dass er am 9. abends nach Karlsruhe zurückkehre.
In den Akten finden sich zwei Verzeichnisse von Ausländern, die am 3. Mai arrestiert und am
4. und 5. „..durch Escorte zur Grenze gebracht worden sind“ 44 Namen (Heimatorte u.a. Coelln,
Hamburg, Stuttgart, Paris, Wien… Als Dritter ist Moritz Müller auf der Liste).

Das Kriegsministerium fasst später die eingesetzten Militärs zusammen:

Kavallerie „Großherzog“, 128 Mann mit 133 Pferden
Infanterie 171 Mann (1. und 2. Bataillon)
hinzu kommen einige Brigaden Gendarmerie. Für eine Gendarmerie-Brigade können angenommen
werden :4 Gendarmen und je 1 Brigadier (Offizier), militärisch organisierte Polizei, die dem
Innenministerium unterstand, also vielleicht 6 Brigaden, das wären ca. 30 Mann.

Im Einsatz waren also ca. 330 Mann Militär und Gendarmerie (abgesehen von der Pforzheimer
Bürger-Cavallerie). Alle Militärs sind namentlich in Listen aufgeführt, in Verzeichnissen ihrer Zulagen
für diesen Einsatz.

Kurz noch ein Streiflicht auf die Stimmungslage jener Tage, ebenfalls aus der Karlsruher Zeitung:
In Paris erreichten am 12. Mai die „Insurgentenaufstände“ einen Höhepunkt: „…man brachte in
Erfahrung, dass viele Todte auf den Plätzen lägen……ohngefähr 20“.
Insurgenten meint Aufständische. Es waren republikanische, frühsozialistische Erhebungen,
wie schon 5 Jahre zuvor.



Im Karlsruher Ständehaus – erstes Parlamentsgebäude Deutschlands ab 1822, im Krieg 1944
zerstört, 17 Jahre Ruine, dann 1961 abgerissen (ich erwähne das, weil den Pforzheimern öfter –
nicht zu Unrecht – vorgehalten wird, sie hätten nach dem Krieg zu viel vollends abgerissen), wurde
in der badischen 2. Kammer in diesen Tagen anscheinend nicht über das Pforzheimer Vorkommnis
debattiert, sondern u.a. die Handhabung der Pressezensur in Baden beklagt; Zitat: „…zumal, da in
Württemberg, was doch auch Bundesstaat (des deutschen Bundes) sey, die Zensur mild gehandhabt
würde.“

Noch etwas zu einigen am Aufstand beteiligten Personen:
Eduard Miller, der erwähnte spätere „Boraxmiller“ :
10 Jahre nach seiner Aktivität bei der Goldschmiederevolution war er als Vorsitzender des
Pforzheimer Volksvereins an der badischen Mairevolution 1849 beteiligt und wurde dann wegen
Hochverrats zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Badischen Generallandesarchiv ist eine Akte, in
der er um Begnadigung zur Auswanderung nach Südamerika bittet. Ein Bezug auf 1839 ist dort
verständlicherweise nicht enthalten. Miller (aus Ludwigsburg stammend) war 1834 , also
5 Jahre vor der „Goldschmiederevolution, einer der 7 Gründungsmitglieder der Pforzheimer
Turngemeinde, später TVP 1834, dem viertältesten Turnverein in Deutschland.

Ein weiteres Gründungsmitglied war Carl Zerrenner, aus Lübeck.

Goldarbeiter und Reisender, der eine Pforzheimerin heiratete, ab 1840 Schmuckfabrikant,
1849 als kommissarischer Bürgermeister eingesetzt, ab 1851 Oberbürgermeister, übrigens
auch Mitglied der Löblichen Singergesellschaft.


Grabplatte Carl Hermann Zerrenner

Die Turnvereine galten als Sammelbecken demokratischer und republikanischer Bestrebungen
und spielten in der Revolution 1848/49 eine wichtige Rolle, besonders in Baden. Schon die
Turnbewegung des Turnvaters Jahn, die sich allerdings an die an die studentischen Verbindungen
richtete, wurde ab 1820 (Karlsbader Beschlüsse) durch die „Turnsperre“ bekämpft, die Burschen-
schaften der Akademiker verboten. Jahn kam wiederholt in Festungshaft, danach unter Polizeiaufsicht.
Auch nach den Gründungen der bürgerlichen Turngemeinden wurden diese bespitzelt und nach der
badischen Revolution verboten, die Fahnen eingezogen. Unter Bürgermeister Zerrenner geduldet,
konnte die Turngemeinde in Pforzheim aber weiter ihren Übungen nachgehen. (Die spätere, 1863
eröffnete Turnhalle auf dem Weiherberg, galt als „der erste feste Bau dieser Art in deutschen Gauen“)

Der schon erwähnte Moritz Müller war nach der Goldschmiederevolution des Landes verwiesen
worden unter Konfiszierung seines Vermögens. Er konnte im Jahr darauf aus Hanau zurückkehren.
In den 1840-er Jahren machte er sich als Schmuckfabrikant selbstständig und hatte nach einem
Verzeichnis von 1861 mit 151 Arbeitern das zweitgrößte Bijouterieunternehmen nach Dittler & Co.

Müller war u. a. 1871 Stadtverordneter, 1872-74 Bezirksrat, 1872-76 Mitglied der Kreisver-
sammlung in Karlsruhe, 1871-74 im badischen Landtag, 1874 kandidierte er zum Reichstag.
Er hat ca.1000 Flugschriften verfasst. Als Fabrikant stand an der Spitze des Pforzheimer
Arbeiterbildungsvereins (war auch in dessen nationalen Gremien vertreten) und war Mitbegründer
des „Deutschen Frauenvereins in Pforzheim“ und des Konsumvereins.

In der genannten autobiographischen Schrift, schreibt er u.a. von seinen Pforzheimer Anfängen
und der Goldschmiederevolution. „Ich hatte mir ein hübsches Geld erspart….Ich rechnete
damals schon darauf, Bürger Pforzheims zu werden und mich zu verheirathen….
Da ereignete sich etwas, wobei die ganze Herrlichkeit zusammen brach“.

Es folgt seine Beschreibung des „Putsches“, dann: „Die badischen Krieger, kamen, sahen und –
lachten. Arm in Arm sah man viele derselben mit den Arbeitern ins Wirthshaus gehen“
.
Müller meint, obwohl er sich heraus gehalten habe sei er trotzdem verhaftet und abgeschoben
worden, ohne einen Kreuzer in der Tasche.

Im Generalandesarchiv gibt es eine Akte unter „Verbrechen“, in der ein Landsmann des in
Pforzheim wegen Beteiligung an der „Goldschmiederevolution“ bereits 3 Monate gefangen
gehaltenen Goldarbeiters Ignaz Sischa sich an die österreichische Gesandschaft bei der badischen
Regierung wendet. Er bittet darin um Freilassung des unschuldig „Eingethürmten“. Sischa,
22-jährig, stammte aus Ungarn, war also k.u. k.-österreichischer Untertan. Die angeführten
Verdachtsgründe, übermittelt durch einen Denunzianten, sind fadenscheinig

1.er habe „sich aus dem Wirtshaus zum Engel, in dem sich die Arbeiter getroffen hätten, hinaus-
begeben mit der Äußerung, er müsse seine Hunde nach Hause bringen, wahrscheinlich, dass er
durch sie nicht verraten werden könne“.

2.) dass er „vom Wohnhaus des Fabrikanten Peter Dittler, bei dem die Zertrümmerungen den
höchsten Grad erreicht hätten, gekommen sei und zwar ohne Kopfbedeckung“

3.) „Zeuge will zu ihm (Sischa) gesagt haben: Jaja, da geht’s arg zu, und habe darauf erwidert, es
ist auch kein Wunder wenn man uns ganz unterdrücken will..“

In der Akte ist auch die an sich positive Stellungnahme der Stadtverwaltung. Jedoch kann Sischa
nicht aus dem Gefängnis entlassen werden, weil „der Inculpet“ die geforderten 200 Gulden Kaution
nicht erbringen kann.

Beim Prozess gegen den ebenfalls 22-jährigen Beteiligten Ferdinand Ott aus Winnenden, machte
dessen Offizialanwalt deutlich den Mund auf: Das Vorgehen des Fabrikanten kennzeichne einen für
die Stadt gefährlichen Feudalismus: „Nicht für staatsgefährlich oder überhaupt strafbar, halte
ich den armen Fabrikarbeiter, weil er anwesend war, als dem Herrn Bohnenberger, einem
wackeren Besitzer von Millionen, ein paar Fensterscheiben oder Möbel zerbrochen wurden“.

Schmuckfabrikant Friedrich Bohnenberger (Lammstraße 6) war ab 1772 Teilhaber seines Schwagers
Kiehnle. Als er sich zur Gründung einer eigenen Fabrik 1799 trennte, wurde beider Vermögen von
200.000 Gulden geteilt. 1824 berichtet ein Steuerbeamter an’s Finanzministerium, dass „Bohnenberger
der reichste Mann des Landes“ sei. Der Sohn Bohnenbergers, Theodor, übernahm die Papierfabrik
in Niefern. Er war der, welcher das Bohnenberger Schlössle erbauen ließ.

Wie ging es nun aus mit der Goldschmiederevolution:

Am Samstag 4. Mai waren die Arbeiter ja fast alle wieder in den Fabriken. Das Abschieben der
„Ausländer“ gestaltete indessen sich schwierig, da beim Abtransport „bittende Fabrikanten und
wimmernde Weibsleute“ hinderlich waren.
Eichrodt fand, dass sich die Fabrikanten „ganz sonderbar verhielten , nachdem sie bei unserer
Ankunft die strengsten Maßregeln verlangt ..hatten…so incedieren sie jetzt schon für die fremden
Arbeiter und wollen zum Teil selbst Garantie für dieselben leisten“. Klar, es dämmerte ihnen, dass
die Arbeiter andernorts bei der nicht badischen Konkurrenz Arbeit suchen könnten und in der
gerade ansteigenden Konjunktur die Fachleute fehlen würden. Bei schlechter Konjunktur wäre
das Vorgehen von Oberamt und Militär und der Fabrikanten wahrscheinlich weniger moderat
ausgefallen.

Ein Fabrik-Comité mit Fink, Dittler, Gülich, Hausmann, Dennig, Gschwindt und Kiehnle setzte sich
mit einem Ausschuss aus je einem Arbeiter aus jeder Fabrik zusammen. Und man einigte sich.
Das Fabrik-Comité bedankte sich am 27. ten des Monats beim Innenministerium für dessen Anteil
an der gütlichen Einigung mit den Worten: „…fühlen wir uns gedrungen, einem Großherzoglich
hochpreislichen Ministerium des Innern unsern lebhaftesten Dank hiermit unterthänigst zu
Füßen zu legen usw…. indem wir ehrfurchtsvoll verharren…“

Obwohl die badische Regierung das einseitige Vorgehen der Pforzheimer Prinzipale als „unklug“
und „unbesonnen“ rügte, blieb die Arbeitszeitordnung des Regulativs im wesentlichen bis 1870
in Kraft.

Die Kostenregelung für die „Fourage“ (Unterkunft und Verpflegung) der Soldaten zieht sich noch
3 ½ Jahre hin, bis der Stadt im Oktober ’42 ein Restbetrag von 555 fl. 57 kr. ausbezahlt wird.
Im Monat zuvor wird nochmal hingewiesen auf „Die Forderung mehrerer Wirthe in Pforzheim für
Militärverpflegung … Die damalige Sachlage in Pforzheim machte… Einquartierung bei den Bürgern
nicht ratsam, weil dadurch die Mannschaft von den Pferden hätte getrennt werden müssen …
deshalb die Einquartierung grösserer Massen bei den Wirthen nothwendig… welche aber mit der
tarifmäßigen Bezahlung nicht begnügen wollten.“

Interessant wäre es, die Akten durchzuforsten, die sich 1839 bis 1855 mit der Einführung einer
Staatspolizei in Pforzheim befassen, so z. B. am 17. Mai 1840, wo es in einem Bericht des
Oberamtes heißt „…woraus die große Notwendigkeit der Einführung der Staatspolizei
in Pforzheim abermals gefordet wird…“
Ob das eine Folge der Goldschmiede-Renitenz war ?

Bemerkenswert ist, dass just am 1. Mai dieser Streik sich in Pforzheim ereignete, 51 Jahre bevor
dieser Tag zum Arbeiterkampftag wurde. (Der Grund könnte sein, dass in alten Zeiten oft am
1. Mai Verträge erneuert oder bestätigt wurden).

Die erste Arbeiter- Massendemonstration hatte am 1. Mai 1856 in Australien mit der Zielsetzung
8-Stundentag stattgefunden.

Am 1. Mai 1868 rief die nordamerikanische Arbeiterbewegung zur Durchsetzung des 8-Stundentags
zum Generalstreik auf. In Bezug auf 1868 wurde dann der 1. Mai 1890 erstmals international als
Protest- und Kampftag der Arbeiter begangen.

Zusammenfassung von § 1 des „Regulatifs“:

Im Sommer:
April
7 .00 Uhr bis zur einbrechenden Nacht oder wenn es so lange Hell bleibt, bis 7.00 abends = 11 Std.
Mai -September
6.00 Uhr bis 6.00 abends

im Winter:
je nach Gutdünken der Fabrik-Herren entweder
a.)
mit Lichtabzug

Oktober
7.00 Uhr bis Dunkelheit, auch samstags
mit Lichtabzug ½ Tag wöchentlich

November-Februar
von Tageshelle bis es dunkel wird
mit 1 Tag Lichtabzug wöchentlich

März
7.00 Uhr bis Dunkelheit
mit Lichtabzug ½ Tag wöchentlich

oder

b.)
ohne Lichtabzug

Oktober – März
7.00 Uhr bis 7.00 abends,
so lange es nötig ist bei brennenden Lampen,
morgens nie, sondern Beginn bei Tageslicht
bis 6.30 samstags

Auszüge aus:
Moritz Müller „Lebenserfahrungen und Lebensziele“ 1893,
54 Jahre nach der Goldschmiederevolution:

Müller kam als Wanderbursche 1834 per pedes von Nürnberg, fand eine Stelle bei Juwelier
Schneider, nur ein Werkbrett, Granatenfasserei, im 3. Stock Wirtshaus zum Ritter. „Ich will diese
elenden Tage, wo ich etwas verrohthe, nicht weiter beschreiben. Schließlich kam ich zu einem recht
noblen Prinzipal, Herrn Carl Gülich…(„große Fabrik“). Nun eine gewisse Fertigkeit gelang mir
endlich und, Tag und Nacht arbeitend, brachte ich es zu einem hohen Lohn…So waren 10 Jahre herumgegangen (es waren 5 Jahre), ich hatte mir ein hübsches Geld erspart…. Da ereignete sich
etwas, wobei die ganze Herrlichkeit zusammen brach….es ereignete sich ein kleiner Putsch, in
Folge dessen ich fürchterlich zu leiden hatte….ich verhielt mich bei dieser Affäre ganz passiv…
…da war von Revolution die Rede. Revolution! Nicht einmal ein rechter Putsch war es. Die
badischen Krieger kamen, sahen und – lachten. Arm in Arm sah man viele derselben mit den
Arbeitern ins Wirthshaus gehen.“
Er hatte später auch einmal einen humoristischen Vortrag darüber gehalten für den er sich von
einem Graveur Illustrationen malen ließ.
„Nach ganz oberflächlichem Verhör wurde ich ins Pfozheimer Gefängnis geworfen. Es war gesteckt
voll. Aus meiner Wohnung durfte ich nichts holen lassen. (Eichrodt an Staatsrat Nebenius:
„Beschlagnahme der Effekten“!) …auf einem Leiterwagen fortspeditiert….In Bruchsal des Nachts angekommen, musste ich mit einem Verbrecher übernachten…Früh Morgens erhielten wir Brod
und einen Schnaps und mit einem Leiterwagen…ging es weiter bis zur Grenze….keinen Pfennig Geld
bei mir…per pedes nach Frankfurt…. kamen wir zusammen an; jeder suchte seinen Gesandten auf…
Und nun ging es nach Hanau zu“.
In einem „Wirthshäuschen am Markt“ holen Arbeiter ihn aus dem Bett. „Sie hatten vernommen, daß
ein Pforzheimer „Goldschmieds-Revolutionär“ da sei…Da erzählte ich bis nach Mitternacht…Aber
die Sache verlief sehr schlecht für mich ab. Andern Morgens kam ein Polizeidiener und holte mich
zum Polizeidirektor…weil meine Füße ganz angeschwollen waren…ging ich in den Strümpfen dorthin,
die Stiefel in Händen tragend. Und auf diese Weise wurde ich auch aus der Stadt hinaustransportiert!“.
Es folgte Betteln, Übernachtung im Wald bei einem Köhler usw. In Hanau wollte sein Vater ihn zwei
Tage gar nicht sehen. „In der Zeitung hatten schreckliche Dinge über unsere Revolution gestanden.
Das ganze Pforzheimer Pflaster war aufgerissen, nur das Militär hatte uns beruhigen können!“

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